Rukla. Bis zum Mai soll Nato-Bataillon unter Führung der Bundeswehr komplett sein. Besuch von Außenminister Gabriel

Sigmar Gabriel steht in einem weißen Zelt vor einer großen deutschen Flagge. Um ihn herum rund 200 Soldaten – Deutsche, Belgier, Niederländer und Litauer. „Mein Name ist Sigmar Gabriel, ich bin deutscher Außenminister“, beginnt er seine Rede. Der Ton ist jovial und lässig. „Als ich Ende der 70er-Jahre als Zeitsoldat gedient habe, hätte ich nie gedacht, dass die Bundeswehr einmal an einem multinationalen Verband teilnimmt – und schon gar nicht, dass sie den Kommandeur stellt.“

Es ist Donnerstagmittag. Gabriel besucht die Iron-Wolf-Kaserne im litauischen Rukla, anderthalb Autostunden von der Hauptstadt Vilnius entfernt. Hier wird ein Nato-Kampfverband unter der Führung der Bundeswehr untergebracht. Der Bündnisgipfel hatte im Juli in Warschau beschlossen, in Polen und den drei baltischen Staaten jeweils ein Bataillon zu je 1000 Soldaten zu stationieren. In den ehemaligen Sowjetrepubliken ist die Angst vor einer Invasion des östlichen Nachbarn groß. Die Annexion der Ukraine im März 2014 hat sich tief ins kollektive Bewusstsein eingegraben.

Die 420 deutschen Kräfte sind schon da. Auf dem Gelände am Rande eines Nadelwaldes stehen 20 Marder-Schützenpanzer und sechs Kampfpanzer Leopard 2. Im Mai ist der Verband aus Deutschen, Niederländern, Belgiern und Norwegern komplett. „Die Menschen fühlen sich sicherer, weil Sie hier sind“, sagt Gabriel vor den Soldaten. Das ist die Botschaft, die er überbringen will: EU und Nato stehen an der Seite der Balten. „Enhanced Forward Presence“, „vergrößerte Vorwärts-Präsenz“, lautet die Mission.

Die Nato-Verbände wollen ein Signal setzen. „Unsere Anwesenheit im Baltikum ist ein Zeichen: Der Preis für eine mögliche Aggression soll nach oben gedrückt werden“, sagt Presseoffizier Torsten Stephan. Im Hintergrund sind Schüsse von einem Übungsplatz der litauischen Armee zu hören. Im Juni werde es die erste Übung des Bataillons geben, sagt Stephan, ein Mann mit kurzem Haar und Metallbrille. „Es geht um Artillerie- und Gefechtstraining – alles rein defensiv zur Landesverteidigung.“

Das ist nach Ansicht der litauischen Regierung auch bitter nötig. „Russland hat in der Nähe der Grenzen zu den baltischen Staaten drei zusätzliche Divisionen zusammengezogen. Hinzu kommen Raketen, die Atomsprengköpfe tragen können“, warnt Außenminister Linas Antanas Linkevicius. Drei Divisionen sind rund 60.000 Mann. Linkevicius spricht von „einer massiven Bedrohung“. Darüber hinaus hat Moskau für September das Großmanöver „Zapad“ im äußersten Westen des Landes angekündigt. Vor diesem Hintergrund hat die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite kürzlich eine verstärkte permanente Präsenz von US- und Nato-Verbänden im Baltikum gefordert. Die deutschen Soldaten fühlen sich in Rukla willkommen. „Wenn wir im Ort sind, werden wir manchmal von Einheimischen zum Kaffee oder zum Essen eingeladen“, sagt Hauptmann Marcus E. Ein Kollege fügt hinzu: „Neulich fragte mich ein Litauer auf der Straße: ,Sind Sie Deutscher?‘ Als ich nickte, antwortete er: ,Danke, dass Sie da sind.‘“