Berlin . Das Land Berlin und der Bund wollen BER-Chef Karsten Mühlenfeld loswerden. Doch noch hat er Unterstützer

Der Bau des neuen Hauptstadtflughafens gleicht einem nicht enden wollenden Trauerspiel. Jüngster Akt ist eine veritable Krise an der Spitze der staatlichen Betreibergesellschaft. Die muss nicht nur die am Rande ihrer Kapazität arbeitenden Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld am Laufen halten, sondern ganz nebenbei auch noch Ostdeutschlands größtes Infrastrukturprojekt BER realisieren.

Im Zentrum der aktuellen Krise steht Flughafenchef Karsten Mühlenfeld, der sich mit einem Teil des Aufsichtsrates komplett überworfen hat. Dabei sollte der frühere Manager des Flugzeugturbinenherstellers Rolls-Royce, der erst im März 2015 als Nachfolger des glücklosen Hartmut Mehdorn geholt wurde, das von zahllosen Pleiten und Pannen überschattete Projekt endlich in ruhiges Fahrwasser bringen.

Das schien ihm auch zu gelingen, bis er im Januar den Flughafeneigentümern erklären musste, dass die Probleme auf der Großbaustelle im Berliner Südosten viel größer sind als angenommen. Die Steuerung von rund 1000 für den Brandschutz wichtigen Türen funktioniert nicht, zwei Kilometer zu dünner Wasserrohre zu den Sprinklern müssen ausgetauscht werden. Berlins Regierender Bürgermeister und Flughafen-Aufsichtsratschef Michael Müller (SPD) musste daraufhin eine weitere Verschiebung der eigentlich bis Jahresende geplanten Eröffnung bekannt geben. Es war bereits die fünfte Verschiebung.

Selbst eine Krisensitzung muss vertagt werden

Am Mittwochabend nun wollte der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft einen Ausweg aus der Krise finden. Doch die Vertreter der drei Airport-Eigentümer, der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg, konnten sich – wie schon so oft in der Projektgeschichte – nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Müllers Vorschlag, seinen Flughafenstaatssekretär Engelbert Lütke Daldrup als Interims-Chef einzusetzen, fand keine Mehrheit. Kurz nach Mitternacht wurde die Sitzung vertagt.

Flughafenchef Mühlenfeld war in die Kritik geraten, weil er in der vergangenen Woche ohne Vorankündigung und gegen den erklärten Willen der Gesellschafter seinen Technikchef Jörg Marks mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben freigestellt hatte. Mühlenfeld hatte Marks für die zahlreichen Terminüberschreitungen verantwortlich gemacht. Der Flughafenchef präsentierte außerdem umgehend einen Nachfolger, den er für ein Tageshonorar von 1700 Euro angeheuert hatte. Etliche Mitglieder des Aufsichtsrats fühlten sich von diesem Vorgehen düpiert und sehen das Vertrauensverhältnis zu Mühlenfeld als zerrüttet an.

In der Diskussion sind nun mehrere Szenarien, wie es an der Spitze der Flughafengesellschaft weitergehen soll. Favorisiert wird von einer Mehrheit eine interne Übergangslösung, sind doch geeignete Manager von außen für die anspruchsvolle Tätigkeit kurzfristig faktisch nicht verfügbar. Zudem die Chefsessel in der Flughafengesellschaft als Schleudersitze gelten.

Kosten sind inzwischen auf 6,5 Milliarden Euro gestiegen

Bereits dreimal wurde seit dem Jahr 2006 die Position des Flughafenchefs neu besetzt, die Bauleiter wechselten allein in den vergangenen fünf Jahren fünfmal. Zu denen, die am BER ruhmlos gescheitert sind, gehören etwa Rainer Schwarz (heute Chef des Regionalflughafens Münster/Osnabrück). Schwarz amtierte von 2006 bis 2013, in seine Zeit fiel die Absage der für Juni 2012 angekündigten BER-Inbetriebnahme. Erfolglos versuchten sich auch Horst Amann (2012 bis 2013) und Hartmut Mehdorn (2013 bis 2015). Amann baut inzwischen ein neues Terminal in Frankfurt, Mehdorn, zuvor Chef der Bahn und Air Berlin, warf am Ende entnervt von den Querelen mit dem Aufsichtsrat hin.

In der Ahnengalerie der Gescheiterten finden sich auch die früheren Regierungschefs von Berlin und Brandenburg, Klaus Wowereit und Matthias Platzeck (beide SPD). Beide leiteten zeitweise das Kontrollgremium für das Prestigeprojekt, ohne jedoch die vielen Terminverzögerungen und vor allem die Kostenexplosion verhindern zu können. Diese sind seit dem Baubeginn im September 2006 von anfangs kalkulierten knapp zwei Milliarden auf inzwischen 6,5 Milliarden Euro gestiegen. Weitere Steigerungen gelten als wahrscheinlich.

Als eine Ursache für die Baumängel und technischen Probleme am BER sehen Experten, dass sich maßgeblich die Politiker aus Berlin und Brandenburg gegen eine Auftragsvergabe an einem erfahrenen Generalunternehmen entschieden hatten. Das Projekt war stattdessen in verschiedenen Losen ausgeschrieben worden, um möglichst viele Firmen aus der Region zu beteiligen. Doch weder die Hoffnung der Politiker auf eine schnelle Fertigstellung noch auf geringe Baukosten bestätigten sich.