Tallinn/Riga.

Estlands Außenminister Sven Mikser ist kein Mann der lauten Töne. Sanfte Stimme, kühl abwägender Blick. Doch wenn es um Russland geht, ist die Botschaft knallhart. Die Bedrohung aus dem Osten sei unverändert hoch, sagt Mikser im Pressesaal des Außenministeriums in der Landeshauptstadt Tallinn. Er erwähnt den Georgienkrieg 2008, die Krim-Annexion 2014. „Die russische Führung ist bereit, militärische Gewalt einzusetzen“, mahnt der 43-Jährige.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hört gespannt zu. In einem Interview mit dem estnischen Fernsehsender ETV betont er: „Russland ist ein schwieriges Land.“ Es ist die Tonlage, die er am Mittwoch bei seinem Blitz-Trip nach Estland, Lettland und Litauen überall setzt. Die Sicherheit des Baltikums sei auch die deutsche Sicherheit, lautet sein Mantra. Russland habe gegen das Völkerrecht verstoßen. „Daher sind wir nicht in der Lage, die Sanktionen aufzuheben“, unterstreicht er am Abend in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Im Juni letzten Jahres – damals noch Wirtschaftsminister – hatte Gabriel einen schrittweisen Abbau der Strafmaßnahmen ins Spiel gebracht, sollte Moskau im Gegenzug Teile des Minsker Abkommens zur Ukraine erfüllen.

Seine baltischen Amtskollegen und die Regierungschefs danken dem Außenminister diesen neuen russlandkritischen Akzent. In allen Hauptstädten bekommt er zu hören, dass die Luftüberwachung der Nato über dem Baltikum ein wichtiges Signal an Moskau sei. Das Gleiche gilt für den Aufbau von vier Nato-Bataillonen mit jeweils rund 1000 Mann in Estland, Lettland, Litauen und Polen. In Litauen leitet die Bundeswehr den multinationalen Kampfverband. Alle drei Länder rüsten auf und wollen damit die Vorgabe der neuen US-Regierung erfüllen, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu stecken.

Hier widerspricht Gabriel. Das beim Nato-Gipfel in Wales 2014 genannte Zwei-Prozent-Ziel sei lediglich ein Richtwert bis 2024. Der Außenminister macht sich stattdessen für einen „umfassenden Sicherheitsbegriff“ stark, der neben Militärausgaben auch die Bekämpfung von Armut und Hunger in der Welt umfasst. Es klingt wie ein Wahlkampf-Fernduell mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die CDU-Politikerin sieht Deutschland bei der Zwei-Prozent-Marke in der Plicht. Sie besucht das Baltikum ab diesem Donnerstag, fast zeitgleich mit dem deutschen Chef-Diplomaten.

Die Balten scheint dies nicht zu beunruhigen. Dies hat auch damit zu tun, dass für sie Amerika nach wie vor der entscheidende Sicherheitsanker ist. Auf die Frage, ob der Schmusekurs von US-Präsident Donald Trump Richtung Moskau nicht zu Destabilisierung führen könnte, entgegnet der estnische Außenminister Mikser trocken: „Es gab in der Vergangenheit schon häufiger Bestrebungen Amerikas, die Beziehungen zu Russland zu verbessern. Am Ende folgte Ernüchterung.“

Deutschland hat im Baltikum eine andere Rolle: Es gilt als Schrittmacher für eine starke Europäische Union. „Wir wollen nicht, dass die Integration in der EU zurückgeht“, sagt der lettische Außenminister Edgars Rinkevics bei einer Pressekonferenz in Riga. Da nickt Gabriel und strahlt über das ganze Gesicht.