Istanbul.

Erstmals ist während des Ausnahmezustandes in der Türkei ein deutscher Journalist in Polizeigewahrsam genommen worden. „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel hatte sich der Polizei in Istanbul am Dienstag gestellt, wie seine Redaktion am Freitag bestätigte. Yücels Anwälten sei gesagt worden, dass gegen ihn wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Terrorpropaganda und Datenmissbrauchs ermittelt werde.

Dabei scheint es um gehackte E-Mails von Energieminister Berat Albayrak zu gehen – dem Schwiegersohn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Yücel hatte über die von einer Gruppe namens Redhack verbreiteten Mails zwei Artikel verfasst. Redhack gilt in der Türkei als Terrororganisation.

Der Journalist besitzt die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft. Aus Sicht der türkischen Behörden ist er damit ein einheimischer Journalist. In der Türkei sitzen zahlreiche regierungskritische Journalisten wegen Terrorvorwürfen in Haft. Menschenrechtsorganisationen halten die Anschuldigungen häufig für konstruiert und für politisch motiviert. Die Regierung weist solche Kritik regelmäßig zurück.

Ulf Poschardt, Chefredakteur der „Welt“, sagte: „Die türkische Regierung weist immer wieder darauf hin, dass die Türkei ein Rechtsstaat ist. Darum vertrauen wir darauf, dass ein faires Verfahren seine Unschuld ergeben wird.“ Im derzeitigen Ausnahmezustand kann ein Verdächtiger bis zu 14 Tage in Gewahrsam gehalten werden. Dann muss ein Haftrichter entscheiden, ob der Verdächtige in Untersuchungshaft kommt. Poschardt appellierte an die Behörden, diese nicht zu verhängen. „Deniz Yücel hat seine Bereitschaft gezeigt, an einem rechtsstaatlichen Verfahren mitzuwirken. Das und die Würdigung der Pressefreiheit, wie sie in der türkischen Verfassung festgeschrieben ist, sollten in die Entscheidung einfließen.“

Laut „Welt“ wurde Yücels Istanbuler Wohnung durchsucht, nachdem der 43-Jährige sich der Polizei gestellt hatte. Das regierungsnahe Blatt „Sabah“ hatte bereits im Dezember berichtet, dass die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Redhack die Festnahme von neun Verdächtigen angeordnet habe, darunter Yücel.