Berlin. Am Sonntag entscheiden 1260 Wahlleute über das neue Staatsoberhaupt – darunter auch viele Prominente aus Kultur und Sport

Es kommt nicht oft vor, dass Hape Kerkeling, Iris Berben und Joachim Löw gemeinsame Sache machen. An diesem Sonntag aber kommen der Komiker, die Schauspielerin und der Bundestrainer als Wahlleute in Berlin zusammen, um über den neuen Bundespräsidenten abzustimmen. Nach einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner Hedwigs-Kathedrale beginnen die 1260 Mitglieder der Bundesversammlung um 12 Uhr mit der Wahl – das Ergebnis dürfte diesmal bereits am frühen Nachmittag feststehen.

Wer wählt am Sonntag den Bundespräsidenten?

Neben den 630 Bundestagsabgeordneten schicken die Bundesländer weitere 630 Wahlfrauen und Wahlmänner nach Berlin. Unter ihnen etliche Prominente aus Sport und Kultur. Besonders viele bekannte Namen bietet die SPD auf – zum Beispiel die Sänger Roland Kaiser, Katja Ebstein und Peter Maffay, dazu die Schauspielerinnen Iris Berben, Mariele Millowitsch und Natalia Wörner. Auf dem Ticket der CDU kommen unter anderem Komiker Hape Kerkeling, Schauspielerin Veronica Ferres, Verlegerin Friede Springer und Stephan Holthoff-Pförtner, Anwalt und Gesellschafter der FUNKE-Mediengruppe (zu der diese Zeitung gehört). Für die Grünen sind Komikerin Carolin Kebekus, Fußball-Bundestrainer Joachim Löw und Travestiekünstlerin Olivia Jones an Bord. Die Linke schickt unter anderem Semiya Simsek Demirtas, die Tochter des ersten NSU-Opfers, in die Bundesversammlung. Für die FDP will Fecht-Olympiasiegerin Britta Heidemann kommen. Die AfD sendet unter anderem den Journalisten Dieter Stein als Wahlmann.

Muss Steinmeier noch zittern?

Seit sich Union und SPD auf Frank-Walter Steinmeier (61) als gemeinsamen Kandidaten verständigt haben, gilt es als sicher, dass der Sozialdemokrat der 12. Bundespräsident wird. Auch die FDP will Steinmeier wählen. Die Grünen dagegen haben sich nicht festgelegt. Die Linke hat mit dem Kölner Armutsforscher Christoph Butterwege (66) einen eigenen Kandidaten aufgestellt. Auch die AfD setzt mit Parteivize Albrecht Glaser (75) auf einen eigenen Mann. Die bayrischen Freien Wähler haben zudem den Richter Alexander Hold (54) nominiert. Und schließlich ist da noch Engelbert Sonneborn (78), der Vater von Satiriker Martin Sonneborn („Die Partei“), den die Piraten als Wahlmann nominiert hatten. Doch keiner von Steinmeiers Gegenkandidaten hat angesichts der großen Mehrheit von Union und SPD eine realistische Chance – zusammen haben die Regierungsparteien rund 920 der 1260 Stimmen. Selbst wenn der eine oder andere Unionspolitiker dem SPD-Mann seine Stimme verweigern sollte, dürfte wohl bereits nach dem ersten Wahlgang feststehen, dass Steinmeier mit seiner First Lady Elke Büdenbender (55) ins Schloss Bellevue einziehen wird. Spannend wird jedoch, wie gut er dabei abschneidet – die Latte liegt jedenfalls hoch.

Theodor Heuss bekam 1954 bei seiner Wiederwahl 88,2 Prozent der Stimmen, es ist das bisher beste Ergebnis in einer Bundesversammlung. Dahinter folgte Richard von Weizsäcker mit 86,2 (1989) und 80,9 Prozent (1984). Joachim Gauck holte 2012 auf Anhieb 80,4 Prozent der Stimmen. Die geringste Mehrheit hatte 1969 Gustav Heinemann im dritten Wahlgang: 50,05 Prozent.

Bleibt die First Lady Richterin?

Wenn Steinmeier Bundespräsident wird, will sich seine Frau Elke Büdenbender laut „Spiegel“ von ihrem Job als Richterin beurlauben lassen. Ursprünglich habe sie vorgehabt, ihre Arbeit am Berliner Verwaltungsgericht auch als First Lady weiterzuführen – und wäre damit nicht die erste Präsidentenfrau gewesen, die ihren Job weiter gemacht hätte: Veronica Carstens behielt ihre Praxis als Ärztin. An Büdenbenders Gericht seien jedoch Zweifel laut geworden, ob die Richtertätigkeit mit der Rolle als Frau des Staatsoberhaupts vereinbar sei. Schon während Steinmeiers Zeit als Außenminister war Büdenbender von bestimmten Verfahren am Gericht freigestellt worden. Eine Bestätigung für den Bericht gab es zunächst nicht. Steinmeier hatte mehrfach betont, über die künftige Rolle seiner Frau nicht vor der Wahl zum Bundespräsidenten sprechen zu wollen. Büdenbender selbst ist bisher in der Öffentlichkeit wenig präsent. Steinmeier hatte der gebürtigen Siegerländerin 2010 eine Niere gespendet, seitdem feiern sie den Tag der Transplantation wie einen Geburtstag. Beide haben eine mittlerweile erwachsene Tochter, Merit.

Gibt es noch Überraschungen?

Bei der Wahl selbst vermutlich nicht. Doch Bundesversammlungen sind immer für Unvorhergesehenes gut – Pannen eingeschlossen: „Leute, ihr könnt in Ruhe Fußball gucken. Wahlgang hat geklappt.“ Damit verkündete die damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner bei der Bundesversammlung 2009 vor dem offiziellen Ende der Auszählung die Wahl Horst Köhlers zum Bundespräsidenten. Er hatte sich gegen die Herausforderin Gesine Schwan durchgesetzt. Als Mitglied der Zählkommission war Klöckner direkt an der Auszählung der Stimmen beteiligt. Sie verletzte damit massiv das Protokoll, denn Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte das Ergebnis noch gar nicht offiziell verkündet. Die vom Mobiltelefon abgesetzte Kurznachricht ging als „Twitter-Affäre“ in die Geschichte des Bundestages ein. Doch damit nicht genug: Bereits nach dem ersten Wahlgang wurden Blumen ins Plenum gebracht, das Streichorchester erschien. Damit war allen Anwesenden vor der offiziellen Bekanntgabe klar, dass Köhler bereits im ersten Wahlgang gewählt worden war. Dieses Mal dürften viele aber auch aus einem anderen Grund besonders hinhören, wenn Lammert um Punkt 12 Uhr die Bundesversammlung eröffnet – immerhin ist es einer der letzten großen Auftritte des langjährigen Parlamentspräsidenten, und immerhin war er selbst mal der Wunschkandidat seiner Partei für das höchste Amt im Staat.