Berlin. Bund-Länder-Beschlüsse für schnellere Abschiebungen: Städte und Gemeinden sind erleichtert, Thüringens Ministerpräsident protestiert

Nach den Beschlüssen von Bund und Ländern für schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber wollen die Kommunen ihre Integrationsmaßnahmen verstärken. „Städte und Gemeinden müssen ihre Integrationsanstrengungen auf die Menschen mit Bleibeperspektive konzentrieren, denn die Aufgabe Integration ist ohnehin schon gewaltig genug“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds (DStGB), Gerd Landsberg, dieser Zeitung.

Landsberg erhofft sich von den Bund-Länder-Plänen eine Stärkung der Städte und Gemeinden. Ein Verbleib in den Erstaufnahmeeinrichtungen bis zur Entscheidung über den Asylantrag erleichtere die Rückführung, entlaste die Kommunen und verhindere spätere Abschiebehindernisse, erklärte Landsberg. Würden die Asylbewerber erst einmal auf die Kommunen verteilt, beginne dort die Integration, „und eine Abschiebung ist nicht zuletzt unter humanitären Gesichtspunkten deutlich schwieriger“, warnte der DstGB-Hauptgeschäftsführer.

Die Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten sich am Donnerstagabend im Kanzleramt darauf verständigt, dass der Bund ein „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ vorlegen soll. Im Kern: Asylbewerber ohne Bleibeperspektive sollen bereits aus der Erstaufnahmeeinrichtung abgeschoben werden und nicht erst in Kommunen untergebracht werden. Vorgetäuschte Identitäten oder Straftaten sollen künftig härter geahndet werden. Die Abschiebehaft für sogenannte Gefährder soll ausgeweitet, ihre Überwachung erleichtert werden. Als einziger Regierungschef protestierte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke): Er kritisierte die Einigung als Wahlkampfmanöver der großen Koalition. Seine Landesregierung ist überzeugt, die beschlossenen Punkte könnten die Zahl der Rückkehrer mangels Umsetzbarkeit nicht erhöhen. Anreize zur Integration würden durch steigenden Abschiebedruck vermindert.

Von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vorgeschlagene neue Ausreisezentren des Bundes sollen noch beraten werden. Bei den Ländern und in der Koalition gab es dem Vernehmen nach Widerstand. Auch eine von de Maizière angeregte Ausweitung der Kompetenzen der Bundespolizei für Abschiebungen kommt vorerst nicht.

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, warnte vor einer zu rigorosen Abschiebepolitik. Er finde es richtig, von dem Instrument der Abschiebung in rechtlich zulässiger und menschlich zumutbarer Weise stärker Gebrauch zu machen als bislang, sagte er dieser Redaktion. „Ich warne aber davor, zu glauben, dass mit einer rigorosen Abschiebung die Probleme gelöst werden können, die durch eine aus dem Ruder gelaufene Asyl- und Migrationspolitik entstehen.“ Man dürfe die rechtsstaatlichen und humanitären Standards nicht über Bord werfen. „Sie setzen rigorosen Abschiebungen rechtliche und faktische Grenzen“, so Papier.