Berlin/München.

Im bayerischen Landtag blickt Frank-Walter Steinmeier für einen Augenblick mit Demut auf sein künftiges Amt als Bundespräsident: „Die Herausforderungen und Erwartungen an das Präsidentenamt werden in Zukunft noch wachsen“, sagt Steinmeier am Dienstagnachmittag vor den Abgeordneten. Er blickt auf die vielen Krisen in der Welt und neue Gefährdungen für die Demokratie auch im Inland. Größer als die Vorfreude sei der Respekt vor der Aufgabe, erklärt der Präsidentenkandidat.

Doch Steinmeier wirkt nicht wirklich besorgt, er hat schon genaue Vorstellungen, was zu tun ist: „Ich möchte als Präsident so etwas sein wie ein Gegengewicht zu Tendenzen der grenzenlosen Vereinfachung“, ruft er entschlossen. Mutmacher statt Vereinfacher sein – dies sei „das beste Gegengift gegen Populisten“. Beifall im Landtag.

München ist die letzte Station seiner wochenlangen Charme-Tour durch die Republik, mit der er sich vor der Wahl am kommenden Sonntag möglichst vielen der 1260 Mitglieder der Bundesversammlung vorstellen wollte. Es war ein geheimer Besuch des damaligen Außenministers in München bei CSU-Chef Horst Seehofer, der in der Union den Ausschlag für die Nominierung Steinmeiers gegeben hatte. Jetzt sagt Seehofer sehr freundlich, Steinmeier habe „Statur und Erfahrung, um Deutschland in Würde und hoher Qualität zu vertreten“.

Kein Zweifel, seine Wahl ist sicher: Er stützt sich auf eine Drei-Viertel-Mehrheit in der Bundesversammlung. Entsprechend weit sind die Vorbereitungen auf das Amt gediehen. So gut gerüstet ist lange kein Präsident mehr ins Schloss Bellevue gezogen.

Klar ist bereits: Steinmeier will als Staatsoberhaupt den Anti-Populisten geben, er will das Gegenmodell zu US-Präsident Donald Trump verkörpern. „Wir dürfen den Menschen nicht einfache Lösungen vorgaukeln“, erklärt er. Der 61-Jährige wirkt gut erholt, geradezu fröhlich stellt er sich vor. Ende Januar hat er das Auswärtige Amt verlassen, das erste Mal im Leben ist der SPD-Politiker jetzt nur einfacher Bundestagsabgeordneter. Das Mandat muss er als Präsident niederlegen, aber in der Zwischenzeit dient ihm das Bundestagsbüro als Operationsbasis.

Auf dem Schreibtisch steht wie in seiner Ministerzeit ein Globus, daneben kleine Deutschland- und Europaflaggen. Nur Steinmeiers Terminkalender ist nicht mehr so eng getaktet. In den nächsten Wochen bis zum Amtsantritt am 19. März, so berichten Vertraute, will er Bücher lesen, Sport machen und seine 20-jährige Tochter Merit besuchen, die Arabistik studiert.

Umziehen werden Steinmeier und seine Frau wohl vorerst nicht. Im Präsidialamt ist zu hören, in der Präsidenten-Dienstvilla in Dahlem solle einstweilen noch Vorgänger Joachim Gauck wohnen dürfen, bis er und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt eine neue Bleibe in Berlin gefunden haben. Zumindest für eine Weile werden die Steinmeiers in ihrem vor 17 Jahren bezogenen Haus in Zehlendorf wohnen bleiben. Es ist für den bisherigen Außenminister ohnehin schon zum „Hochsicherheitstrakt“ ausgebaut, wie Steinmeier berichtet – selbst gegen den Beschuss mit Langwaffen sei es geschützt. Auch die Zweitwohnung im brandenburgischen Saaringen, wo die Steinmeiers im dörflichen Idyll gern die Wochenenden verbringen, soll weiter genutzt werden.

Unklar ist indes, wie intensiv Steinmeiers Frau Elke Büdenbender ihre Rolle als First Lady ausfüllen will. Der 55 Jahre alte Juristin wäre es am liebsten, sie könnte ihren Beruf als Richterin am Berliner Verwaltungsgericht weiter ausüben. „Frank macht seinen Job, ich mache meinen“, hat sie ihr Rollenverständnis einmal beschrieben. Doch so einfach ist es diesmal nicht, den Repräsentationsaufgaben wird sich die Richterin nicht ganz entziehen können. Auskunft darüber wird es aber erst nach Steinmeiers Wahl geben.

Andere personelle Weichen sind längst gestellt: Die zentralen Positionen besetzt Steinmeier mit engen Vertrauten aus dem Auswärtigen Amt. Sein Staatssekretär Stephan Steinlein wird Chef des Präsidialamtes. Steinmeiers künftige Büroleiterin kommt ebenso aus dem Außenamt wie der künftige Inlandsabteilungsleiter Andreas Görgen, der im Ministerium die Kulturabteilung leitete. Chef der Abteilung Ausland wird der bisherige Leiter des Planungsstabs im Außenamt, Thomas Bagger. Auch seinen Redenschreiber Wolfgang Silbermann nimmt Steinmeier mit. Die Personalien werden im politischen Berlin mit einigem Misstrauen verfolgt. Betrachtet Steinmeier die Präsidentschaft als Fortsetzung seiner Außenpolitik mit anderen Mitteln? „Dass ein Präsident international denken muss, ist Teil seiner Verantwortung und nicht neu, aber der Stellenwert wird möglicherweise größer in Zeiten von internationalen Krisen und Konflikten“, hat Steinmeier schon angekündigt.

Doch betont der Kandidat jetzt auch, Außenpolitik habe nur einen kleineren Teil seiner Laufbahn bestimmt. In Bewerbungsreden konzentriert er sich nun auf andere Themen. Er warnt, der Rückzug vieler Bürger in „Echokammern“ sozialer Netzwerke sei eine Gefahr für die Demokratie. Er wolle Anstöße geben für eine breite Debatte: „Was ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält?“ Statt ins „Gejammer“ über unfähige Politiker einzustimmen, wolle er „helfen, Politik zu erklären“.

Wie die funktioniert, weiß Steinmeier ungewöhnlich gut. Er war Maschinist der Macht, Amtschef von Regierungszentralen in Hannover und Berlin, stand aber auch sieben Jahre als Außenminister im Scheinwerferlicht. Die Suche nach dem Kompromiss, Vermittlung, Versöhnung, Ausgleich – das hat ihn bei allem Durchsetzungswillen in seinen Ämtern ausgezeichnet. Es sind Qualitäten, die auch im Schloss Bellevue verlangt werden.

Sein Stil hat ihm nicht nur vorzeitig jene präsidiale Aura verliehen, die ihn zum beliebtesten Politiker Deutschlands macht – er hat auch die Zahl seiner Feinde auf ein Minimum reduziert. Das wird ihm am Sonntag helfen. Bei CDU und CSU gibt es jetzt zwar Gemurre an Steinmeiers Nominierung, weil befürchtet wird, seine Wahl werde der SPD weiter Rückenwind geben. Aber nennenswerter Widerstand in der Bundesversammlung ist nicht zu erwarten. Zweifler beruhigt der Kandidat: Er werde parteipolitisch gewiss neutral sein, nur „parteiisch für die Demokratie“.