Paris. Frankreichs konservativer Präsidentschaftskandidat reagiert auf wachsenen Druck in der Job-Affäre

„Egal was wir tun, die Medien haben François doch längst zum Abschuss freigegeben und sie werden nicht mehr locker lassen“, klagte am Montag ein Abgeordneter der konservativen Republikaner-Partei, der zum Beraterkreis des Präsidentschaftsbewerbers François Fillon gehört. Namentlich will er jedoch „auf gar keinen Fall“ für diese Einschätzung geradestehen. Schließlich hatte das Wahlkampfteam des Kandidaten gerade erst die Devise „Gegenangriff“ ausgegeben.

Ein Gegenangriff, den Fillon persönlich auf einer am Montagnachmittag einberufenen Pressekonferenz einläutete, auf der er erneut beteuerte, „zu keinem Zeitpunkt außerhalb der Legalität“ gehandelt zu haben. Er sei sicher, dass die Justiz dies bestätigen werde. Dennoch entschuldigte sich Fillon bei allen Bürgern, die der Umstand, dass er Familienmitglieder als parlamentarische Mitarbeiter beschäftigte, vor den Kopf gestoßen habe. „Was früher akzeptabel war, ist es heute nicht mehr“, sagte er. „Das war ein Fehler. Ich bedauere es zutiefst und entschuldige mich bei den Franzosen.“

Um seinem Bedauern Nachdruck zu verleihen, kündige Fillon an, alle Informationen über sein Einkommen und seine Vermögenverhältnisse detailliert im Internet öffentlich zugänglich zu machen. „Ich schulde Ihnen völlige Transparenz“, begründete er diesen Schritt.

Tatsächlich steht Fillon bereits seit zehn Tagen unter schwerem Beschuss. Da kam heraus, dass er seine Frau Penelope viele Jahre lang als Assistentin beschäftigte und vom Parlament bezahlen ließ. Mehr als 800.000 Euro sind der Gattin des Spitzenpolitikers als Gehalt bezahlt worden. Doch da sich offenbar so gut wie keine Belege für ihre Arbeit finden lassen, leitete die Justiz Ermittlungen wegen des Verdachts der Scheinbeschäftigung und der Hinterziehung von Steuergeldern ein.

Zwar hat Fillon die Anschuldigungen mehrfach energisch dementiert, aber „Penelope-Gate“ bescherte dem ehemals haushohen Favoriten der Präsidentenwahlen einen dramatischen Absturz in den Umfragen. Jüngsten Erhebungen zufolge soll er nun nicht einmal mehr den Sprung in die Stichwahl um das höchste Staatsamt schaffen. Die Prognosen gehen stattdessen von einem Duell zwischen Marine Le Pen, der Chefin des rechtsextremen Front National, und dem unabhängigen Bewerber Emmanuel Macron aus.

Trotz des Medienwirbels stellte sich die Parlamentsfraktion der Republikaner vergangene Woche mit einem Vertrauensvotum demonstrativ hinter ihren Kandidaten. Aber andere, meist aus der zweiten Reihe stammende Parteimitglieder haben Fillon bereits öffentlich aufgefordert, das Handtuch zu werfen und einem „unbescholtenen“ Ersatzmann Platz zu machen.

Es kommt hinzu, dass hinter fest verschlossenen Türen selbst enge Parteifreunde Fillons über dessen „katastrophale Kommunikationsstrategie“ schimpfen. Bislang nämlich weigerte sich der Ex-Premier hartnäckig, sich dem „Medientribunal“ zu stellen und die Vorwürfe zu entkräften. Stattdessen legte er sich in einem TV-Interview gleich zwei Stricke um den Hals. So versicherte er nicht nur, sofort auf seine Kandidatur zu verzichten, falls er unter Anklage gestellt würde. Er wies zudem persönlich darauf hin, dass er auch zwei seiner Kinder als parlamentarische Assistenten beschäftigt hatte.

Politisch verheerend ist für Fillon, dass derzeit seine eigenen Wahlkampfargumente gegen ihn verwendet werden. Wiederholt hatte er seinen Ruf als integrer Saubermann hochgehalten und erklärt, dass nur ein tadelloser Politiker Autorität an der Staatsspitze ausstrahlen könne. Dabei musste er wissen, dass sich die Beschäftigung von Familienmitgliedern, selbst wenn sie nicht fiktiv ist, mit diesem moralischen Anspruch kaum vereinbar ist. Obwohl diese Praxis in Frankreich keineswegs rechtswidrig ist, steht sie schon lange im Geruch der „legalen Vetternwirtschaft“. Kritikern gilt sie gar als Beweis für die „schamlose Selbstbedienungsmentalität“ der französischen Politikerklasse.

In den Reihen der Republikaner sorgt der schwer beschädigte Ruf ihres Spitzenkandidaten nicht nur für zunehmende Nervosität, sondern vor allem für Ratlosigkeit. Zwar verdichten sich täglich die Gerüchte über die fieberhafte Suche nach einem Plan B, sprich nach einem Ersatzkandidaten. Aber erstens ist die Parteiführung zu zerstritten, um sich einvernehmlich auf eine Alternative verständigen zu können, zweitens sehen die Statuten einen solchen Fall gar nicht vor und drittens ist die Zeit zu knapp, um noch einmal eine Vorwahl zu organisieren.

Mitten im Strom wechselt man nicht die Pferde, weiß ein altes Sprichwort. Mit anderen Worten: Obwohl ihnen der bereits sicher geglaubte Sieg bei den Präsidentenwahlen zu entgleiten droht, scheinen die Republikaner auf Gedeih und Verderben an ihren Spitzenkandidaten gefesselt zu sein. Zumal die Lage so verfahren ist, dass offenbar kein halbwegs populärer Republikaner bereit wäre, für Fillon in die Bresche zu springen. Der in den Vorwahlen geschlagene Ex-Premier Alain Juppé jedenfalls erklärte gestern zum zweiten Mal, dass er „definitiv“ nicht als Notlösung zur Verfügung stehe.