Berlin. Unterstützt sie Erdogan? Schulz setzt die Kanzlerin unter Druck

Es ist der Zeitpunkt, der Angela Merkel (CDU) angreifbar macht. Wie so oft, wenn sich die Kanzlerin auf den Weg in die Türkei machte: 2015 vor den Parlamentswahlen und heute vor einer Volksabstimmung, die Präsident Recep Tayyp Erdogan viel bedeutet. Für ihn geht es um den Ausbau seiner Macht, für viele Menschen hingegen um die Verteidigung der liberalen Verfassung, woran der designierte SPD-Chef Martin Schulz erinnert. Die hofften auf Deutschland und die EU, „die dürfen wir nicht im Stich lassen“, sagte Schulz unserer Redaktion. Erdogan sei der Präsident, „aber er ist nicht die Türkei“.

Die Opposition argwöhnt in Ankara wie Berlin, dass die Kanzlerin mit der Visite Erdogan unterstützen wolle. „Darauf läuft ihre Reise doch hinaus, oder?“, fragte der Chef der Oppositionspartei CHP in der „Süddeutschen Zeitung“.

Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen von den Linken spricht von einem Besuch „zur Unzeit“. Sie klagte im Deutschlandfunk über „massive Attacken“ des Erdogan-Netzwerks in Deutschland, sprich: Geheimdienstagenten, „die hier Andersdenkende verfolgen, spionieren, bedrohen“. Fakt ist, dass die Generalbundesanwaltschaft wegen Spionage-Verdachts gegen die Moscheevereinigung Ditib ermittelt.

Im Kanzleramt wird der Ton gereizter. Es seien „groteske Vorstellungen“, wie die Reisepläne zustande kämen, entfuhr es Regierungssprecher Steffen Seibert. Der Besuch finde statt, weil es wichtig sei, mit der Türkei in Kontakt zu bleiben. Pünktlich zu Merkels Reise kam die Meldung, wonach rund 40 türkische Offiziere von Nato-Einrichtungen in Deutschland um Asyl gebeten hatten. Beim Satiriker Jan Böhmermann, der Erdogan beleidigt hatte, ging es kürzlich darum, die Meinungsfreiheit zu verteidigen – bei den 40 Offizieren um das Grundrecht auf Asyl.