Washington.

Das Weiße Haus ist unter Kontrolle. Beide Kammern im Kongress auch. Fehlt nur noch der Oberste Gerichtshof. Dann wäre die Dominanz der Republikaner in Amerika perfekt. Mit der Nachbesetzung der Stelle des verstorbenen erzkonservativen Richters Antonin Scalia wird Donald Trump den ersten Schritt in Richtung Zeitenwende am Supreme Court in Washington unternehmen.

Was die neun auf Lebenszeit ernannten Richter dort entscheiden, prägt das gesellschaftliche Klima in den Vereinigten Staaten nachhaltiger als jeder Präsident. Es geht um kontroverse Themen wie Abtreibung oder die Todesstrafe. Trumps Auswahl des neuen Richters soll sicherstellen, dass Amerika letztinstanzlich nach rechts rückt.

Aber anstatt über den neuen Top-Juristen und die Zukunft des Gerichts zu reden, liegt das Land mit sich und der Welt in einem zunehmend heftiger geführten Streit über den von Trump verhängten Einreisestopp für Menschen aus sieben muslimisch dominierten Staaten. In vielen Städten zwischen Ost- und Westküste gewinnen Proteste an Zulauf, die sich gegen das Dekret wenden. Vorgänger Barack Obama unterstützt die Demonstrationen ausdrücklich. Mehrere Bundesstaaten wollen Klagen einreichen. Sie halten Trumps Erlass, der als Terror-Prävention gedacht ist, für verfassungswidrig. Im Außenministerium haben über 100 Top-Diplomaten einen Brandbrief unterschrieben. Dagegen halten 57 Prozent der Amerikaner laut einer Umfrage Donald Trumps Schritte für richtig.

Mehrere ausländische Regierungen, darunter auch die deutsche, haben in Washington interveniert, weil auch Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft von dem Einreisestopp betroffen sind, die Verbindungen nach Syrien, Iran, Irak, Sudan, Somalia, Libyen und Jemen haben. In Deutschland sind das etwa 130.000 Menschen. Der Protest war nicht völlig erfolglos. Am Dienstag beteuerte Heimatschutzminister John Kelly, das Einreiseverbot gelte doch nicht für Doppelstaatler.

Großkonzerne von Google bis Ford sehen ihre international zusammengesetzten Belegschaften betroffen. Ebenso sind Universitäten, Profi-Sportvereine und Künstler alarmiert. Sicherheitsexperten von FBI bis CIA sehen in Trumps Erlass ein Eigentor. Der Eindruck, dass sich die USA gegen Muslime stellen, gefährde die Sicherheit von Amerikanern im In- und Ausland. Über 20 prominente Republikaner im Kongress haben sich gegen Trump gestellt und fordern Nachbesserungen.

All das hat Interims-Justizministerin Sally Yates gebündelt und sich „wegen erwiesener Mängel“ gegen das Dekret gestellt. Trump reagierte auf die Arbeitsverweigerung drakonisch. Er wies die Kritik zurück, warf der Top-Juristin, die bis zur Senatsbestätigung des neuen Ministers Jeff Sessions Dienst tun sollte, „Verrat“ vor und entließ sie. Auch der Chef der Einwanderungsbehörde wurde gefeuert. Trump ist dabei rechtlich auf der sicheren Seite. Wie autoritär er von seiner Personalhoheit Gebrauch macht, weckt in Washington „Zweifel an seinem Verständnis von Gewaltenteilung“, wie ein Kommentator des Senders CNN sagte.

Yates’ Rauswurf erinnerte Demokraten an das sogenannte „Samstagabend-Massaker“ von 1973. Damals hatte der vom Watergate-Skandal geplagte republikanische Präsident Richard Nixon die Führung des Justizministeriums entlassen, weil er sich von einem Sonderermittler bedroht fühlte. Später wurde Nixon des Amtes enthoben.

Am Dienstagabend (Ortszeit) wollte Trump den Namen des neuen obersten Richters bekannt geben – damit wird die Debatte um das Einreiseverbot mit dem wieder vollzähligen Obersten Gerichtshof verknüpft. Letztlich wird dort über die Verfassungsmäßigkeit des Verbots entschieden. Nach Scalias Tod hatte Präsident Obama mit Merrick Garland einen Juristen nominiert, der nicht links, sondern eher moderat gepolt ist. Trotzdem haben die Republikaner ihre Verhinderungsmehrheit genutzt und den Kandidaten nicht einmal angehört. Trumps Kandidat wird es wohl ähnlich ergehen. Doch wird sich die republikanische Mehrheit im Senat am Ende durchsetzen.

Damit ist das derzeit bestehende 4:4-Patt im wichtigsten Gericht der Landes Geschichte. Die vier liberalen Vertreter Elena Kagan, Sonia Sotomayor, Ruth Bader Ginsburg und Stephen Breyer standen zuletzt den in der Regel konservativ abstimmenden Kollegen Samuel Alito, Clarence Thomas, John Roberts und Anthony Kennedy unversöhnlich gegenüber. Weil Kennedy, obwohl vom republikanischen Präsidenten Reagan ernannt, nicht konsequent mit dem Rest der konservativen Bank stimmt, wird sich am Gewichtsverhältnis kurzfristig wenig ändern. Völlig anders ist die Lage, wenn etwa die liberalen „Gralshüter“ Ruth Bader Ginsburg (83) und Stephen Breyer (78) aufhören oder sterben. „Trump würde für sie ebenfalls rechtsideologisch linientreue Juristen installieren“, befürchten Bürgerrechtsorganisationen wie die ACLU. Mit einem 7:2-Mehrheitsverhältnis zugunsten der Konservativen wäre der Weg frei für eine Rücknahme liberaler Errungenschaften. Allen voran das seit 44 Jahren geltende Recht auf Abtreibung.