Berlin.

Der große Weltsaal im Auswärtigen Amt ist bis auf den letzten Platz besetzt, als Sigmar Gabriel den versammelten Diplomaten gleich zum Start ein großes Versprechen macht: Der scheidende SPD-Chef will im neuen Amt Außenpolitik und Wahlkampf klar trennen. „Dass wir jetzt eine Bundestagswahl haben, sollte uns so wenig wie möglich interessieren“, erklärte Außenminister Gabriel bei seiner Antrittsrede vor Hunderten Mitarbeitern.

Die Herausforderungen in der Außenpolitik seien zu groß, sagte Gabriel und markierte gleich noch ein paar Eckpunkte für seine künftige Aufgabe. Er will sich für ein stärkeres Europa einsetzen und die guten Beziehungen zu den USA so weit es geht retten: „Unsere Hand sollte ausgestreckt bleiben für eine respektvolle Zusammenarbeit“, erklärte Gabriel. Die versöhnliche Töne kamen gut an bei den Diplomaten, von denen einige mit leiser Skepsis dem Ministerwechsel entgegensahen. Der scheidende Minister Frank-Walter Steinmeier war nach insgesamt sieben Dienstjahren hoch geschätzt. Er verabschiedete sich im Weltsaal daher auch mit einer wehmütigen Rede: „Dieses Amt hat mich geprägt“, erklärte Steinmeier.

Gabriel signalisierte bei der ersten Begegnung, dass er sich der Herausforderung der neuen Rolle bewusst ist. Er, der gern auch mal schärfer formuliert, will jetzt „diplomatischer reden“. Wenige Stunden zuvor hatte Bundespräsident Joachim Gauck Gabriel und dessen Nachfolgerin im Wirtschaftsressort, Brigitte Zypries (SPD), die Ernennungsurkunden überreicht. In Anwesenheit von Kanzlerin Merkel händigte Gauck zugleich Steinmeier die Entlassungsurkunde aus – und verabschiedete den Minister mit herzlichen Worten, wohl wissend, dass der aller Voraussicht nach in wenigen Wochen sein Nachfolger im Schloss Bellevue wird. „Der Name Frank-Walter Steinmeier wird mit der deutschen Außenpolitik verbunden bleiben“, sagte Gauck. „Er steht für Unermüdlichkeit, dafür, weiter zu verhandeln, zu vermitteln und zu überzeugen.“ Diese Unermüdlichkeit habe Steinmeier in den Verhandlungen mit dem Iran ebenso wie in der Vermittlung zwischen den Kriegsparteien in der Ukraine bewiesen. Sprachlosigkeit sei „der Tod der Diplomatie“. Steinmeier habe aus dieser Erkenntnis eine Maxime gemacht.

Gabriel hörte lächelnd und aufmerksam zu. Auch wenn Gauck seinen großen Einsatz als Wirtschaftsminister für Arbeitsplätze, Wachstum, Energiepolitik oder mehr Investitionen lobte – im Außenamt hat Steinmeier sehr hohe Maßstäbe gesetzt.

Gabriel hinterließ am Freitag einen persönlichen Akzent: Der Minister war mit seiner schwangeren Frau Anke und der vierjährigen Tochter Marie ins Schloss Bellevue gekommen. Die Familie tritt nur äußerst selten bei politischen Terminen in Berlin in Erscheinung, die Anwesenheit war diesmal wohl ein doppeltes Signal: Auch familiäre Aspekte spielten eine Rolle bei Gabriels Rückzug von der SPD-Spitze – und die Familie trägt den zunächst auf acht Monate befristeten Wechsel ins Auswärtige Amt mit, auch wenn die neue Aufgabe mit vielen Auslandsreisen verbunden ist.

Vorgänger Steinmeier hatte als Außenminister sogar einen Reiserekord aufgestellt: In seiner zweiten Amtszeit seit 2013 ist er bei 220 Reisen 977.751 Kilometer geflogen, umgerechnet dreimal zum Mond – das hatte selbst der legendäre Vielflieger Hans-Dietrich Genscher nicht geschafft. Am häufigsten flog Steinmeier nach einer Aufstellung des Auswärtigen Amtes nach Brüssel, danach kommen schon 30 Besuche in Paris. Dorthin hatte Steinmeier am Donnerstagabend auch seine letzte Dienstreise geführt – in Paris wird nun auch Gabriel schon am Sonnabend seine erste offizielle Visite machen.

Eine Reise des neuen Außenministers in die USA soll schnell folgen, womöglich schon nächste Woche. Gabriel bleibt im Auswärtigen Amt aber Vizekanzler und knüpft damit an alte Traditionen an: Es war bisher der Regelfall, dass der Außenminister die Aufgabe des Vize-Regierungschefs wahrnimmt, nur der SPD-Chef hatte seit 2013 als Wirtschaftsminister eine Ausnahme gemacht.

Für die Koordinationsaufgaben wechselt Wirtschafts-Staatssekretär Rainer Sontowski, enger Vertrauter Gabriels, als Staatssekretär ins Auswärtige Amt. Gabriels langjähriger Wegbegleiter und Pressesprecher Tobias Dünow, der in Vorbereitung der eigentlich geplanten Kanzlerkandidatur voriges Jahr vom Wirtschaftsministerium in die SPD-Zentrale zurückgegangen war, folgt ihm aber nicht. Dünow bleibt auch unter dem künftigen Parteichef Martin Schulz im Willy-Brandt-Haus.