Washington.

Das erste Dutzend war schon Mitte der Woche voll. Aber Donald Trump gönnt Amerika keine Pause. Auch heute (Sonnabend), wenn er zum ersten Mal offiziell mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin und Kanzlerin Angela Merkel am Telefon die Weltlage erörtern wird, setzt der neue US-Präsident im ICE-Tempo mit Dekreten das politische Washington unter Druck.

Das Feuerwerk der präsidialen Erlasse soll seinen Wählern Tatkraft und Worthalten demonstrieren. Es reicht von der Abschaffung der Krankenversicherung seines Vorgängers („Obamacare“) über den Bau von Öl-Pipelines bis zum Einstellungsstopp für Staatsbedienstete. Dazu noch das Aus für das Freihandelsabkommen TPP, die Anbahnung des Mauerbaus an der Grenze zu Mexiko und Maßnahmen gegen illegale Einwanderung. Vorläufiges Urteil der „Washington Post“: „Viele Aktionen werden wahrscheinlich nie umgesetzt. Entweder, weil sie unnütz sind, vom Kongress oder Kabinettsmitgliedern bekämpft werden oder weil sie juristisch nicht wasserdicht sind.“

Trump schert das noch nicht. Obwohl laut einer Umfrage der als seriös geltenden Quinnnipiac-Universität nur 36 Prozent der Amerikaner seine Startphase positiv bewerten. Sozialisiert als Moderator einer TV-Reality-Show füttert er die Nachrichten-Umschlagplätze rund um die Uhr. Ist das Tagwerk vollbracht, setzt Trump auf Twitter, wo ihm 22,5 Millionen Menschen folgen, schon die Agenda für den nächsten Tag.

Am Freitag wartete mit Theresa May der erste offizielle Staatsgast im Weißen Haus. Die britische Premierministerin ist im „Brexit“-Trubel auf der Suche nach einer starken Schulter in den ehemaligen Kolonien. Sie will den Weg zu einem bilateralen Handelsabkommen bahnen.

Trump präsentierte sich bei der Pressekonferenz mit May als Gentleman, las mit moderater Stimme vom Blatt ab, nannte den geplanten Ausstieg aus der EU eine „wundervolle Sache für Großbritannien“ und versprach den Aufbau einer „tollen Beziehung“. May schmeichelte dem Gastgeber mit Lob für dessen „beeindruckenden Wahlsieg“ und überbrachte Glückwünsche der Queen, die Trump bald persönlich in London treffen wird. Nach den Artigkeiten wurde es interessant.

May legte Trump etwas in den Mund, das ihm über die von ihm als „obsolet“ beschriebene Nato zuletzt nie eingefallen wäre. Danach habe der Präsident ihr versichert, dass die USA „zu 100 Prozent“ hinter dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis stünden. Richtig? Trump blickte kurz herüber, dementierte nicht. Aufatmen in Brüssel.

Nächste Frage. Was ist mit den Sanktionen gegen Russland wegen Krim und Ukraine? Trump, von dem man weiß, dass er sich eine Lockerung vorstellen kann, falls Präsident Putin ihm im Anti-Terror-Kampf hilft, wich aus und flüchtete sich in seine Lieblingsallgemeinplätze: a) Wie schön es doch wäre, wenn die USA und Russland gute Beziehungen hätten. Und b): „Wir werden sehen, was passiert.“

Theresa May äußerte sich entschieden klarer: Ohne die volle Umsetzung der Vereinbarung von Minsk kein Ende der Sanktionen. Das sei ihre Position. Und die der EU. Anwesenden, die May am Tag zuvor in Philadelphia bei einer Klausurtagung der Republikaner erlebten hatten, klang der Rat im Ohr, den die Britin in Sachen Putin gab: Kooperation okay. „Aber nehmt euch in Acht.“

Der laute Beifall der Abgeordneten und Senatoren wurde als Indiz dafür gewertet, was sich schleichend in der „Grand Old Party“ aufbaut: Verdruss über die Alleingänge Trumps und die Nebenkriegsschauplätze, die er jeden Tag eröffnet.

Ohne Not ließ er in einem Interview seine Sympathie für Folter im Anti-Terror-Kampf erkennen. Obwohl sein neuer Verteidigungsminister James Mattis, ein Vier-Sterne-General, davon abgeraten hat. Trump trotzig: „Folter funktioniert.“ In Anwesenheit Mays bekräftigte er seine Haltung, betonte aber, dass Mattis das letzte Wort habe.

Ohne Not wärmte er nach der Amtseinführung das Thema „Wahlfälschung“ wieder auf, sprach ohne Belege von bis zu fünf Millionen Stimmen, die illegal gegen ihn abgegeben worden sein könnten. Obwohl die Wahlleiter in den 50 Bundesstaaten das für vollkommen abwegig halten. Obwohl Parteifreunde Trump beknien: „Du hast gewonnen. Du bist Präsident. Kümmere Dich um die wichtigen Dinge!“. Der Chef sieht das anders. Er gab eine „umfassende Untersuchung“ in Auftrag. Per Dekret.

Trump ist immer noch im Modus des Wahlkämpfers. Er reagiert launisch, wenn ihm unliebsame Nachrichten-Schnipsel unter die Augen kommen. Sein Sprecher Sean Spicer musste schon mehrfach den Journalisten im Weißen Haus Standpauken halten. Zuletzt ließ Trump sogar seinen Chef-Berater Stephen Bannon zubeißen. Der Ex-Chef des rechtspopulistischen Internet-Portals Breitbart über Trump-kritische Medien wörtlich: „Sie sollten sich schämen und demütig sein und den Mund halten und mal eine Weile lang zuhören.“

Aber es sind nicht nur Nebensächlichkeiten, die auch in den eigenen Reihen Zweifel an Donald Trumps Amtsverständnis wecken. Dass der US-Präsident über den von ihm betriebenen Mauerbau an der Grenze zu Mexiko einen diplomatischen Crash riskierte (Mexikos Präsident Nieto sagte seinen für nächste Woche geplanten Besuch vergrätzt ab), rief in Washington Stirnrunzeln hervor. Dass Trump danach über seinen Sprecher die Idee kreisen (und wieder einfangen) ließ, sämtliche mexikanischen Exportgüter mit 20 Prozent Strafzoll zu belegen und so die auf mindestens 20 Milliarden Dollar geschätzte Mauer zu refinanzieren, hat nicht nur in Mexiko-City Alarmstimmung ausgelöst.