Athen/Berlin. Griechenland, Türkei, Großbritannien, UN und EU ringen um die Wiedervereinigung der seit 43 Jahren geteilten Mittelmeerinsel

Noch nie waren die Hoffnungen so groß, dass die seit 43 Jahren geteilte Mittelmeerinsel Zypern bald wiedervereinigt werden könnte. Am Donnerstag trafen sich die Außenminister Großbritanniens, Griechenlands und der Türkei in Genf. Sie wollen einen Sicherheitsvertrag für ein wiedervereinigtes Zypern aushandeln.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres übernahm den Vorsitz. Die Europäische Union (EU) wurde durch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als Beobachter vertreten. „Das ist die allerletzte Chance, die Insel auf normalem Weg wieder zusammenzufügen“, so Juncker. „Ich bin optimistischer als jemals zuvor“, erklärte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu.

Grenzverlauf gehört zu den größten Streitfragen

Die beliebte Urlaubsinsel ist seit 1974 in einen griechischen und einen türkischen Teil gespalten. Der griechisch-zyprische Inselpräsident Nikos Anastasiades und der türkische Volksgruppenführer Mustafa Akinci erzielten in 19-monatigen Verhandlungen bereits beträchtliche Fortschritte. Beide haben großes Interesse an einer Beilegung des seit Jahrzehnten andauernden Konflikts.

Die Republik Zypern, eine frühere Kronkolonie des Vereinigten Königreichs, ist seit 1960 unabhängig. Nach einem 1959 vereinbarten Garantieabkommen sollten Großbritannien, Griechenland und die Türkei die Unabhängigkeit, territoriale Integrität und die Sicherheit des jungen Staates gewährleisten. 1974 intervenierte die Türkei in Zypern nach einem von der griechischen Militärregierung unterstützten Putsch gegen den damaligen Präsidenten Erzbischof Makarios. Seitdem ist Zypern geteilt. Der vor allem von griechischen Zyprern bewohnte Südteil ist international anerkannt und seit 2004 Mitglied der Europäischen Union.

In den aktuellen Verhandlungen wird eine Föderation aus zwei Teilstaaten angestrebt. Die beiden Volksgruppen – rund 80 Prozent ethnische Griechen und 20 Prozent türkischstämmige Zyprer – sollen weitgehende Selbstverwaltung besitzen. Gegen eine schnelle Einigung sprach lange Zeit, dass wichtige Streitfragen ungeklärt waren. Dazu gehört der Grenzverlauf zwischen den beiden künftigen Bundesländern eines vereinigten Zypern. Die Inselgriechen hoffen auf Gebietsgewinne. Sie fordern die Rückgabe der Kleinstadt Morfou, der Tourismusregion von Varosha und einiger weiterer Ortschaften, die seit 1974 zum von Ankara kontrollierten Inselnorden gehören.

Gestern kam auch das schwierige Thema „Sicherheit und Garantien“ auf die Tagesordnung. Die Türkei besteht auf ihrer Rolle als Schutzmacht eines wiedervereinigten Zypern und pocht auf eine starke militärische Präsenz. Die Inselgriechen lehnen das ab und fordern einen Abzug der türkischen Besatzungstruppen. Ein EU-Staat wie Zypern brauche keine Schutzmächte, argumentiert deren Chef Anastasiades. Derzeit sind rund 35.000 türkische Soldaten in Nord-Zypern stationiert.

Die Blicke richten sich nun vor allem auf den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Denn der Schlüssel zu einer Zypernlösung liegt in Ankara. Erdogans autoritär-nationalistischer Kurs lässt zwar keine leichten Verhandlungen erwarten. Andererseits meinen diplomatische Beobachter, Erdogan sei innenpolitisch so unangefochten, dass er sich Zugeständnisse in der Zypernfrage leisten könne. Die Türkei sah lange Zeit eine Lösung in Zypern als Eintrittskarte in die EU. Die Beitrittsverhandlungen sind zwar jetzt an einem toten Punkt. Daran würde auch eine Lösung der Zypern-Probleme wenig ändern.

Dennoch könnte Erdogan Interesse an einer Überwindung der Inselteilung haben: Sie würde seinem Land Zugriff auf die Erdgasvorräte geben, die vor den Küsten der Insel vermutet werden. Der Plan: Gasvorräte aus den Fördergebieten Zyperns und Israels im östlichen Mittelmeer könnten über eine Pipeline in die Türkei und von dort weiter nach Westeuropa gepumpt werden. Die Türkei würde damit ihre eigene Gasversorgung diversifizieren und zugleich ihre Rolle als Energie-Korridor für Europa stärken.

Doch selbst wenn es zwischen den beteiligten Ländern zu einem Kompromiss kommt, bleibt noch eine weitere entscheidende Hürde zu nehmen. Eine Friedenslösung muss von beiden Gemeinschaften in getrennten Volksabstimmungen gebilligt werden, um in Kraft treten zu können. Daran scheiterte 2004 der Einigungsplan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan. Die türkischen Zyprer stimmten zwar mit Zweidrittelmehrheit dem Vorschlag zu. Die Inselgriechen lehnten ihn aber mit Dreiviertelmehrheit ab.

Am 23. Januar werden die Gespräche in Genf fortgesetzt.