Washington. Medien, Geheimdienste, Mexiko, Autoindustrie – der neue US-Präsident legt sich mit allen an

53 Minuten Donald Trump-Show sind vorbei. „Wahnsinn“, „bizarr“, „unglaublich“, kommentieren viele Zeitungen. Die erste Pressekonferenz als designierter Präsident der Vereinigten Staaten hat Spuren hinterlassen. Aber kaum verlässliche Informationen über das künftige Gebaren des Politik-Seiteneinsteigers, der in einer Woche auf den Stufen des Capitols in Washington den Amtseid ablegen will. Donald Trump blieb seinem Lebensmotto treu: „Wenn Du geschlagen wirst, schlage härter zurück.“ Geblieben sind Verletzungen. Und viele neue Fronten:


Geheimdienste:
US-Präsidenten haben oft mit ihren Geheimdiensten im Clinch gelegen. Aber so kaputt, und das schon beim Start, wie bei Donald Trump war das Verhältnis noch nie. Bereits als die Spitzen von NSA, CIA und FBI Moskau nach langen Untersuchungen als Schurken im Wahlkampf identifizierten, der via Cyber-Angriff das Vertrauen in die amerikanischen Institutionen untergräbt, warf Trump den Diensten Parteilichkeit vor und nahm Putin in Schutz. Nach der jüngsten Episode ging der 70-Jährige einen Schritt weiter. Er unterstellte den eigenen Sicherheitsorganen allen Ernstes Nazi-Methoden. Sie seien es gewesen, die das „schändliche“ Material über ihn in Umlauf gebracht hätten, sagte Trump. Wie unter diesen Umständen neues Vertrauen zwischen Commander-in-Chief und den für die nationale Sicherheit verantwortlichen Apparaten wachsen soll, ist schleierhaft.


Medien:
Wer am „Hofe“ Trump vorgelassen wird, bestimmt der „König“. CNN gehört vorläufig nicht mehr dazu. Weil der Nachrichten-Sender die Berichterstattungswelle über Trumps angebliche Erpressbarkeit durch Russland in Gang gesetzt hatte, wurde sein White-House-Reporter Jim Acosta zum Aussätzigen. „Ich werde Ihnen keine Frage geben. Sie sind Fake News“, blaffte Trump den gestandenen Kollegen an. Der Washingtoner Medienzirkus ist in Aufruhr. Jeder ahnt: Das kann mich auch treffen. Dabei hat CNN nur seinen Job gemacht. Berichtet wurde dort über den inzwischen von Koordinator James Clapper bestätigten Fakt, dass die Geheimdienst-Chefs Trump über das potenziell kompromittierende Material gegen ihn in Kenntnis gesetzt haben. Mit der Betonung, dass sie die Erkenntnisse eines ehemaligen Agenten des britischen Geheimdienstes MI-6 nicht für seriös halten. Der teilweise schlüpfrige Inhalt des 35-seitigen Dossiers kam erst durch das Internet-Portal BuzzFeed an die Öffentlichkeit. Was Trump dazu veranlasste, die Truppe als „gescheiterter Haufen Müll“ zu bezeichnen. Nach dem Affront gegen CNN kam es zu einer unerwarteten Solidarisierung. Shephard Smith vom Trump-hörigen Kanal Fox News stellte sich vor Acosta. Kein Journalist habe es verdient, vom Präsidenten so gedemütigt und ausgegrenzt zu werden. Trump ist das gleichgültig. Er hat Breitbart, den rechtslastigen Internetkanal seines Top-Beraters Stephen Bannon. Und er hat Twitter. Dort folgen bald 20 Millionen Menschen den erratischen 140-Zeichen-Ausbrüchen des Milliardärs.


Kabinett:
Er hat sie berufen. Aber das heißt nicht, dass sie uneingeschränkt Donald Trumps Parolen folgen. Rex Tillerson hat bei seiner Anhörung für den Außenminister-Posten im Senat Trump indirekt mehrfach widersprochen. Der Öl-Manager hält Russland für eine Gefahr. Er will das Pariser Klimaschutzabkommen nicht aufkündigen. Und er ist nicht grundsätzlich gegen das von Trump in Bausch und Bogen verurteilte Freihandelsabkommen TPP mit Asien. In einem anderen Ressort – Justiz – hat sich der Minister-Anwärter Jeff Sessions gegen ein Einreise-Verbot für Muslime und gegen die Foltermethode „Waterboarding“ ausgesprochen. Wird Trump den Herren zeigen, wer die Richtlinienkompetenz besitzt?

Gesundheitsreform: „Obamacare“, das innenpolitische Leib- und Magenprojekt des Amtsinhabers, soll rückstandslos weg. Was an die Stelle der finanziell für viele Menschen aus dem Ruder gelaufenen privatstaatlichen Krankenversicherung rücken wird, weiß niemand. Trump drückt aufs Tempo. Er verspricht, dass Abschaffung und Reform zeitgleich passieren. „Wir werden etwas total Tolles machen“, sagte er unpräzise. Fachleute halten das für „gefährlich“. Knapp 20 Millionen Amerikaner, die durch Obama zum ersten Mal in den Genuss einer Krankenversicherung gekommen sind, könnten plötzlich schutzlos werden. Verständige Konservative pochen auf einen Übergang mit Augenmaß.

China: Als Arbeitsplatzvernichter und Währungs-Manipulator hat Donald Trump das fernöstliche Riesenreich in den vergangenen Monaten bestimmt 100 Mal gegeißelt – und den Wählern Abhilfe versprochen. Als in dieser Woche der Chef der chinesischen Handelsplattform Alibaba, Jack Mah, in Trumps New Yorker Hochhaus aufschlug, war von Konfronation keine Spur. Gemeinsam werde man „große Sachen“ machen, sagte Trump. Angeblich hatte Mah Trump eine Million neue Arbeitsplätze avisiert – in Amerika. Das Verhältnis beider Länder wird dennoch auf Konfrontationskurs bleiben. Trumps neuer Außenminister Rex Tillerson kündigte eine diplomatisch robustere Gangart gegen Peking an. So verlangte der Öl-Manager, dass Peking den Bau künstlicher Inseln im Südchinesischen Meer unverzüglich einstellt. Er verglich das Verhalten mit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Moskau. „Wir werden China ein klares Signal senden müssen“, sagte Tillerson, dass die besagten Gebiete kein chinesisches Territorium seien. Wie das Signal ausfallen wird, sagte er nicht.

Russland: Von seinem Schmusekurs in Richtung Russland lässt sich Donald Trump nicht abbringen. Auch wenn er zum ersten Mal öffentlich eingeräumt hat, dass „wahrscheinlich“ Moskau hinter den Cyber-Angriffen in den US-Wahlkampf steckt. „Wenn Putin Donald Trump mag, nenne man das einen Aktivposten und keine Bürde“, sagte Trump. Trumps republikanischer Gegenspieler im Senat, John McCain, zieht dagegen eine rote Linie. „Ich glaube, Putin ist ein Mörder und Verbrecher. Er wird jeden Vorteil für sich nutzen.“ McCain hat die Sorge, dass sich Trump dem Kreml-Herrscher leichtgläubig an die Brust wirft; etwa in der Frage der Verlängerung/Verschärfung von Sanktionen wegen der russischen Einmischung in der Ukraine.


Wirtschaft:
An der Wall Street hatten sich die Analysten vor der Pressekonferenz auf Details zur versprochenen Steuersenkung und zu dem riesigen steuerfinanzierten Infrastrukturpaket (neue Straßen, Brücken, Flughäfen etc.) eingestellt, mit dem Trump im Wahlkampf hausieren ging. Fehlanzeige. Kein Wort dazu. Die Börsen reagierten dementsprechend verschnupft. So ist es auch in der Autobranche, der Trump via Twitter regelmäßig in die Seite fährt: Baut und produziert in den USA – oder ihr kriegt Strafzölle bis zu 35 Prozent aufgebrummt, ist sein Credo. Die Bosse der Konzerne Ford, Toyota, Fiat Chrysler, GM versuchen sich im Spagat. Um Trump zu schmeicheln, verkünden sie teils längst beschlossene Investitionen am Standort USA. Parallel bauen sie aber auch ihre aus Wettbewerbsgründen unabdingbar notwendigen Werke im benachbarten Mexiko aus. Freie Fahrt für kollisionsfreie Zusammenarbeit sieht anders aus.


Mexiko:
Es war sein Schlager im Wahlkampf. Und er hält stoisch daran fest. „Wir werden eine Mauer bauen“, sagte Trump, „und Mexiko wird dafür zahlen.“ Wie? „Auf irgendeine Art und Weise, vielleicht über eine Steuer oder eine Zahlung.“ Bis dahin soll der amerikanische Steuerzahler vorfinanzieren. In den Falten des Staatshaushalts haben die Republikaner Geldtöpfe identifiziert, aus denen das auf mindestens 25 Milliarden Dollar taxierte Unterfangen bezahlt werden könnte. In Tranchen. Alle Experten wissen: Es wird niemals einen durchgängigen Wall entlang der 3100 Kilometer langen Grenze zum südlichen Nachbarn geben. Da ist schon die Topografie (Fluss, Wüste etc.) vor. Deshalb wird damit gerechnet, dass allenfalls an bestehenden Grenzzaun-Abschnitten weiter gearbeitet wird. Auf Kosten Amerikas. Denn Mexikos Staatschef Enrique Peña Nieto hat zum x-ten-Mal bekräftigt: „Natürlich wird Mexiko nicht für die Mauer bezahlen.“