Washington. Der britische Ex-Agent Christopher Steele hat das Dossier zusammengestellt, das in Washington für Aufregung sorgt
Am Mittwochmorgen verließ Christopher Steele überhastet sein Haus in der südenglischen Grafschaft Surrey und bat die Nachbarn, sich um seine Katze zu kümmern. Er müsse dringend ein „paar Tage“ weg. Ehefrau und drei Kinder waren schon vorher abgereist. Seither ist der 52-Jährige ehemalige Russland-Experte des britischen Geheimdienstes MI-6 untergetaucht. Aus Angst um seine Unversehrtheit. Sprich: Rache.
Denn Steele soll laut „Wall Street Journal“ der Autor jenes 35 Seiten langen Dossiers über höchst unappetitliche Verbindungen zwischen Russland und dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump sein, das wenige Tage vor der Amtseinführung das ohnehin raue Klima in Washington zusätzlich verschüttet. Kurz rekapituliert: Trump wird in dem durch das Internet-Portal Buzzfeed öffentlich gewordenen Papier als nützlicher Idiot Putins beschrieben, gegen den ausreichend Material vorliege, anzügliche Sex-Videos etwa, die sich hervorragend zur Erpressung eigneten.
Trump streitet alles ab, hält sämtliche Vorhaltungen für „frei erfunden“ und sieht Journalisten, die darüber berichten, als Teil einer schäbigen Diffamierungskampagne. Problem dabei: Von der Existenz des Dossiers, das Steele in seiner Eigenschaft als Direktor der privaten Londoner Sicherheitsfirma Orbis zusammenrecherchiert haben soll, wurde Trump von den Topleuten der US-Geheimdienste hinter verschlossenen Türen informiert. Warum sie dies taten, wenn der bald scheidende Koordinator James Clapper doch gestern erneut betonte, dass die Informationen nicht „glaubwürdig“ seien, ist zweifelsfrei nicht bekannt.
Seit die für Trump unvorteilhaften Geschichte in der Welt ist, herrscht im politischen Washington Alarmstimmung. Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Spricht man mit Journalisten in Washington, war es ungefähr so: Vor knapp sieben Monaten erhielt Steele über die Washingtoner Beratungsfirma Fusion GPS den Auftrag, belastendes Material zu sammeln. Damals ging die Motivation offenbar von einem reichen Mäzen der republikanischen Partei aus, der Donald Trump verhindern wollte. Steele, in den 90er Jahren in Moskau als Spion stationiert gewesen, nahm die Arbeit auf.
Später sollen laut New York Times auch demokratische Büchsenspanner aus dem Lager Hillary Clintons die Dienste des Ex-Maulwurfs in Anspruch genommen haben. Steele genießt in der Szene einen soliden Ruf. So soll er der Bundespolizei FBI dabei geholfen haben, den Korruptionsskandal beim Weltfußball-Verband FIFA aufzudecken. Im Laufe seiner Recherchen, so wird kolportiert, sei Steele die Schwere des Belastungsmaterials klar geworden. Darum habe er die Behörden und mehrere Medien-Organisationen informiert. David Corn, Reporter des Magazin „Mother Jones“, berichtete im Oktober ohne Namensnennung und ohne Details erstmals aus der Akte Steele.
Zuletzt war das Papier in vielen Redaktion in Washington bekannt. Weil der Stoff zum Teil bizarr, falsch oder nicht nachprüfbar war, verzichteten viele US-Medien auf Berichterstattung. Mit CNN wendete sich am Dienstagabend das Blatt. Seit Steele „geoutet“ wurde, fürchte er Vergeltungsakte. Zum Beispiel aus Moskau, heißt es in britischen Medien. Sein Geschäftspartner Christopher Burrows sagte gestern in London, er wisse nicht, wo sich Steele aufhalte.