Berlin.

Deutschland hat binnen zwei Jahren 1,2 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Nach 890.000 im Vorjahr waren es 2016 noch einmal 280.000 Migranten. Dabei zeigte sich, dass die Balkan-Route keineswegs geschlossen ist. Die meisten Menschen flüchteten nach Angaben von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) über Griechenland, die Balkan-Staaten und Österreich nach Deutschland. „Die Allerwenigsten kommen über Italien“, sagte de Maizière am Mittwoch in Berlin. Die Top-5-Liste der Herkunftsländer: Syrien, Afghanistan, Irak, Iran und Eritrea.

Es sei gelungen, die Migration zu ordnen, zu steuern und den Zustrom zu begrenzen, versicherte de Maizière. Unzufrieden ist er allerdings mit der europäischen Flüchtlingspolitik. „Im Moment ist es so, dass letztlich die Entscheidung darüber, wer nach Europa kommt, nicht die EU trifft. Sie wird faktisch durch kriminelle Schleuser getroffen“, beklagte er. De Maizière: „Das ist die inhumanste Auswahlentscheidung.“

Der Minister mahnte einheitliche Maßstäbe an. Aufnahmeverfahren, Sozialleistungen und Anerkennungsquoten würden sich in Europa „sehr unterscheiden“. Die EU strebt eine einheitliche Außenpolitik an, trotzdem beurteilt jeder Staat die Menschenrechtslage in Ländern wie Eritrea, Somalia, Pakistan oder Afghanistan anders. Die Folge: Die Asylbewerber ziehen dahin, wo sie sich die besten Anerkennungschancen und das meiste Geld ausrechnen. Da entstehe ein Sogeffekt, so de Maizière. „Das kann nicht vernünftig sein.“

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 745.545 Asylanträge gestellt – großteils von Menschen, die bereits 2015 eingereist waren. Etwa 55.000 Migranten verließen das Land freiwillig, 25.000 Menschen seien abgeschoben worden. Mehr als jemals zuvor. „Dennoch ist die Zahl zu niedrig“, sagte de Maizière. Nach einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey dürfte die Zahl der ausreisepflichtigen Ausländer bis Ende 2017 auf etwa 485.000 steigen. Ein Grund dafür ist, dass beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) noch 430.000 Altanträge vorliegen, über die in den nächsten Wochen entschieden werden soll – es ist die Schlussbilanz von BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise. Er wird von Jutta Cordt abgelöst.

Nach seinen Angaben hat das BAMF im vergangenen Jahr 695.733 Asylentscheidungen getroffen. Die Wartezeiten seien gesunken. Neuankömmlinge könnten inzwischen nach einem halben Monat den Antrag stellen, die Bearbeitungsdauer betrage im Schnitt zwei Monate, oft auch weniger. Nach Weises Darstellung sind alle Asylbewerber registriert und identifiziert. „Es kann keine Doppelidentitäten geben.“ Es gibt allerdings weiter Menschen, die noch kein Asyl beantragt haben. Das gilt insbesondere für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.