Amona. Die Siedlungspolitik entzweit Israel und seine Schutzmacht Amerika. Ein Besuch in Amona erklärt, warum

Auf dem Hügel von Amona zeigt Eli Greenberg auf einen Haufen Steine, aufgeschichtet zu einer Mauer. „Natürlich sind die nicht so schön geschliffen wie in Jerusalem, aber sie stammen aus derselben Zeit wie der zweite Tempel“, sagt er. Greenberg ist ein jüdischer Siedler. Der 43-Jährige lebt seit zwölf Jahren in der Abgeschiedenheit des Westjordanlands. An klaren Tagen sieht man von hier nicht nur die Hauptstadt Jerusalem, sondern auch den palästinensischen Regierungssitz Ramallah, einen Zipfel des Toten Meeres und die Berge von Jordanien. Hier begreift man: Das Heilige Land ist auch deshalb so umkämpft, weil es so klein ist.

Amona ist ein Siedlungsaußenposten. Und damit eine Speerspitze des Kampfes, den die national-religiösen Juden seit dem Sechstagekrieg 1967 um die Gebiete jenseits der sogenannten Grünen Linie führen. Diese bezeichnet die Waffenstillstandslinien von 1949, die das Kerngebiet Israels von Westjordanland und Gazastreifen trennen. Doch die Siedler sprechen nicht vom Westjordanland, sondern von Judäa und Samaria. Biblisches Kernland, auf dem sich ein Großteil der alttestamentarischen Geschichten abgespielt hat. Die Besiedlung ist für Eli Greenberg heilige Pflicht.

Genau darum geht es in dem Streit zwischen der israelischen und der amerikanischen Regierung. Neuester Auslöser ist die Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrats am Tag vor Weihnachten. Die Resolution fordert den Stopp des israelischen Siedlungsbaus im Westjordanland und in Ost-Jerusalem. Möglich geworden ist sie nur, weil sich die USA – entgegen ihrer Gewohnheit – enthielten. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von „schändlichem und anti-israelischem“ Verhalten. Das Papier ist nicht bindend, könnte aber eine weitere Resolution anstoßen, die den Rahmen für künftige Friedensgespräche absteckt.

Am Mittwoch benannte US-Außenminister John Kerry die Streitpunkte aus seiner Sicht: palästinensische Flüchtlinge, Grenzen, Sicherheit und der Status von Jerusalem. Seine Rede könnte auf der Friedenskonferenz von Paris am 15. Januar diskutiert, eine weitere UN-Resolution eingebracht werden, befürchtet man in Jerusalem. Es gäbe Beweise, dass die Amerikaner hinter der UN-Initiative steckten, wetterte Netanjahu. Die Beziehungen zwischen Jerusalem und Washington sind auf einem Tiefststand.

Eli Greenberg kann den UN-Siedlungsbeschluss nicht verstehen: „Überall im Nahen Osten werden Menschen abgeschlachtet, aber diese Leute behaupten, dass ausgerechnet mein Haus dem Frieden im Weg stehe.“ Weil Kfar HaAmmonai, das Dorf der Ammoniten, im Buch Josua erwähnt wird, ist Greenberg in Amona. In den 55 Häusern leben heute 42 Familien mit 200 Kindern.

Die Landnahme begann vor 20 Jahren, als eine Gruppe von Junggesellen aus der Siedlung Ofra, die rund einen Kilometer entfernt im Tal liegt, den Hügel besetzte. Bald hatten sie Strom, eine Kanalisation und geteerte Straßen. Doch weil Amona auf palästinensischem Privatbesitz gebaut wurde, gibt es einen Abrissbeschluss von Israels Oberstem Gerichtshof. Die Siedler verhandelten in den letzten Wochen mit der Regierung über einen Kompromiss: Ein Großteil der Häuser soll auf einem angrenzenden Grundstück auf demselben Hügel wiederaufgebaut werden, außerdem bekommen die Siedler fast zehn Millionen Euro als Ausgleich. Netanjahu betonte, seine Regierung sei „den Siedlungen mehr verpflichtet als jede andere in Israels Geschichte“. Naftali Bennett, Vorsitzender der Siedlerpartei „Jüdisches Heim“, hatte vorher bereits unterstrichen: „Die Ära der Zwei-Staaten-Lösung ist vorbei.“ Die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power übte Kritik an dieser Haltung. Die Aussagen der israelischen Regierung zur Zwei-Staaten-Lösung seien nur Lippenbekenntnisse, ein unabhängiger Palästinenserstaat sei immer unwahrscheinlicher. Fakt ist, dass die Zahl der Siedler seit 1993 um 355.000 auf 590.000 gestiegen ist. 90.000 von ihnen leben jenseits des von Israel gebauten Sperrzaunes.

Doch auch die Palästinenser haben immer wieder Chancen auf Frieden verstreichen lassen. Viele Israelis machen folgende Rechnung auf: Der einseitig durchgeführte Abzug aus dem Gazastreifen habe ihnen nur die Herrschaft der radikalislamischen Hamas und immer wieder Raketenbeschuss beschert. Sie sehen Terror und Staatszerfall in Ägypten, im Libanon und in Syrien. Sie fürchten, dass auch im Westjordanland nach dem Rückzug der israelischen Truppen Terroristen an die Macht kommen könnten.