Berlin. Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten im Zeichen des Terroranschlags: Appell zu Besonnenheit und Mitmenschlichkeit

Es ist ein eindringlicher Appell zu Mitmenschlichkeit und Besonnenheit: Bundespräsident Joachim Gauck ruft die Bürger in seiner Weihnachtsansprache dazu auf, nach dem Terroranschlag von Berlin ein solidarisches Miteinander zu bewahren. „Gerade in Zeiten terroristischer Attacken sollten wir die Gräben in unserer Gesellschaft nicht vertiefen, weder Gruppen pauschal zu Verdächtigen noch Politiker pauschal zu Schuldigen erklären“, sagt Gauck in der Ansprache, die am Abend des ersten Weihnachtsfeiertages im Fernsehen ausgestrahlt wird.

„Wir sollten das Augenmaß bewahren und die Achtung vor dem politischen Gegner“, mahnt der Präsident vor der Kulisse eines weihnachtlich geschmückten Amtszimmers im Schloss Bellevue. Das bedeute keineswegs, auf politische Auseinandersetzungen etwa in der Flüchtlingspolitik zu verzichten. Solche Auseinandersetzungen müsse es geben, auch über die Frage, ob für die Sicherheit der Bürger noch mehr getan werden müsse als bisher.

Gauck erklärt, der Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt mit vielen Toten und Verletzten „hat uns zutiefst erschreckt und verstört“. Der weltweite Terror sei „plötzlich vorgedrungen bis in unsere Hauptstadt“. Zugleich würdigt er ausführlich die Reaktionen der Bürger: Sie hätten sich nicht von Angst, Ohnmacht und Wut überwältigen lassen. „Wir sind vielmehr zusammengerückt als Gemeinschaft derer, die die Mitmenschlichkeit verteidigen.“ Vor Gauck hatte schon Kanzlerin Angela Merkel die Besonnenheit der Bürger gelobt. Der Präsident sagt, er habe Augenzeugen des Anschlags getroffen, die sofort zur Hilfe geeilt seien und Gefahr für sich selbst nicht gescheut hätten.

Es ist die letzte Weihnachtsansprache des Präsidenten, der am 18. März 2017 aus dem Amt scheidet. Die Rede wurde am Donnerstag aufgezeichnet, über Weihnachten und Neujahr ist Gauck im Urlaub - er feiert im Kreis der Familie, bevor er im Januar zum Endspurt seiner Präsidentschaft ansetzt. In seiner Rede greift Gauck auch einen seiner bisherigen Schwerpunkte auf: Er würdigt das berufliche und ehrenamtliche Engagement vieler Menschen. Fortlaufend begegne er Menschen, die das Land bewohnbarer, verlässlich und vertrauenswürdig machten. „Diese Menschen haben mich in meinen Jahren als Bundespräsident immer zuversichtlicher werden lassen.“ Gauck betont: „Dieses Land verdient das Vertrauen seiner Bürger. Auch gegenwärtig, da es mit ungelösten Problemen ringt.“

Dieses Vertrauen hätten unzählige Menschen mitbegründet – Krankenschwestern, Lehrer, Soldaten, Polizisten, Gewerkschafter oder Unternehmer. Gauck erwähnt auch die vielen Ehrenamtlichen, die Flüchtlingen helfen: Sie zeigten, „dass man das Fremde nicht ablehnen und abweisen muss, um das Eigene zu bewahren und zu leben“. Gerade in Zeiten der Unsicherheit sei das zuverlässige Wirken so vieler Menschen zu schätzen, lobt Gauck: „Nicht weil sie etwas Außergewöhnliches tun, sondern weil sie das Gewöhnliche außergewöhnlich gut tun. So können wir uns zu Hause fühlen in unserem Land.“