Berlin. Unser Autor war auf dem Weg nach Hause, als wenige Meter von ihm entfernt der Anschlag geschah. Ein Augenzeugenbericht über das Erleben des Schreckens

Es ist so erschreckend leise. Ich habe mir so etwas lauter vorgestellt. Ich habe mir Terror lauter vorgestellt. Aber es gibt plötzlich nur stille Ohnmacht und Fassungslosigkeit unter den fröhlich glitzernden Lichterketten des Weihnachtsmarktes, an dem ich auf dem Weg nach Hause vorbeilaufe. Es ist ein surreales Bild verstörender Gegensätze, was sich kurz nach der Todesfahrt über den Breitscheidplatz bietet.

Laut ist es nur im Moment davor, als der Lkw in voller Fahrt Menschen und Bretterbuden mit sich reißt, überrollt, wegschleudert. Schreie, zerberstendes Holz, dumpfe Aufpralle im Stakkato, jedes Mal, wenn die Front des Fahrerhauses ein neues Hindernis aus dem Weg räumt. Dann nach etwa 60 Metern tritt der Lkw links aus dem Weihnachtsmarkt wieder aus und kommt auf der Straße zum Stehen.

Es geht schnell. Rasend schnell. Menschen außerhalb des Marktes und auf der gegenüberliegenden Seite der Budapester Straße, wo auch ich mich befinde, verharren geschockt, begreifen und rennen. Etwas knallt. Waren das Schüsse? Ich sehe mich um, blicke in Gesichter und Augen, die das Gehörte ebenfalls nicht einordnen können. Kurze Zeit herrscht Panik.

Dann die Stille!

Nach ein paar Momenten entschließe ich mich, die Straßenseite zu wechseln und gehe auf den Markt. Ich bin Journalist. Menschen brauchen Informationen, um zu verstehen. Das ist mein Job. Wir haben Standards, wenn wir berichten. Eine kurze Abstimmung mit der Redaktion. Dann mache ich ein Video.

Ich folge der Spur des Lkw, der sich seinen Weg exakt entlang der schmalen Gasse zwischen den Weihnachtsbuden bahnte. Dort, wo die Menschen laufen, an Tischen stehen und Glühwein trinken, mit Kollegen, Freunden, Familie lachen oder Souvenirs kaufen. Zwischen zwei Ampeln drängte er sich scheinbar zielgerichtet hindurch, erfasste erste Hütten.

Trümmer liegen auf dem Boden, zerbrochene Gläser. Ein rotes Glühwein-Rinnsal auf dem Asphalt. Links und rechts kauern Menschen, die versorgt werden, einige bewegen sich nicht. Ein paar Männer versuchen, eine Bude aufzurichten.

Ich beschreibe, ohne mit der Kamera direkt auf die Opfer zu halten. Aber meine Augen sehen mehr. Bilder, die man von anderen Anschlagsorten kennt, aus dem Fernsehen, weit weg. Bilder, von denen man hofft, dass man sie nie in seinem Leben sehen muss. Jetzt ist alles so nah. Und dann diese dunkle, ohnmächtige Stille in dieser kleinen weihnachtlichen Gasse. Kein lautes Geschrei von Opfern ist zu hören. Jeder versucht, zu funktionieren.

Immer mehr Rettungskräfte treffen ein. Ein Meer von Blaulicht und Sirenen. Ich gehe schneller. Die Bilder sind grausam. Rettungskräfte knien über Verletzten oder Toten. Später hieß es von der Feuerwehr, dass sich erst um die gekümmert wurde, die nicht mehr um Hilfe bitten konnten. Denn die, die noch sprechen konnten, waren nicht so schlimm betroffen wie andere.

Ein Mann neben mir schreit: „Hier ist eine Gasflasche offen.“ Feuerwehrleute eilen herbei. Dann erreiche ich das Ende des Lkw. Ich sehe Menschen darunter liegen. Polizisten kümmern sich um sie.

Später sehe ich das Fahrerhaus. Eine Kühltruhe hat sich darunter verkeilt. Die Scheibe ist zerstört und von Holzlatten durchbohrt. Die Fahrertür steht offen. Ein Mensch liegt darin. Spezialkräfte untersuchen den Tatort bereits.

Ein Mann sei auf der Flucht, heißt es. Später dann die Festnahme. Doch, wie wir nun wissen, war es nicht der Todesfahrer. Und wieder diese Ohnmacht.

Am Tag danach kehre ich zurück. Menschen trauern. Menschen gehen einkaufen. Menschen essen in den Fast Food-Restaurants und gehen in den Zoo. Das Leben muss weitergehen.

Doch der Terror ist nach Berlin gekommen. Leise – aber auch mit voller Wucht.