Washington. Vor der Sitzung des „Electoral College“ versuchen Gegner des Republikaners 38 Wahlleute für Hillary Clinton umzustimmen

1976 ging Schauspieler Martin Sheen in den Dschungel von Vietnam – für Francis Ford Coppolas Meisterwerk „Apokalypse Now“. 40 Jahre später macht sich der preisgekrönte Hollywood-Mime daran, im realen Leben subjektiv empfundenes Unheil abzuwenden. Es geht um Donald Trump: Bevor der New Yorker Milliardär an diesem Montag im „Electoral College“ zum 45. US-Präsidenten gewählt werden soll, rufen Sheen und andere Hollywood-Größen in einem Video-Clip die 538 Mitglieder des Wahlleute-Gremiums zur Revolte auf. Genauer: zur Stimmenthaltung.

Sheen und seine Mitstreiter sind nicht allein. Trumps hauchdünner Sieg bei der Wahl am 8. November hat eine stattliche Widerstandsbewegung ausgelöst. Manche republikanisch gepolten Wahlleute berichten von „Hunderten E-Mails, Briefen und Telefonanrufen“, in denen sie zur Umkehr aufgerufen werden. In einzelnen Bundesstaaten sind Klagen anhängig, die Trump in die Nähe von Wahlbetrug rücken. Diverse Organisationen bieten juristischen Beistand an, um potenziellen Abweichlern den Rücken zu stärken. In einer von fünf Millionen Amerikanern unterzeichneten Petition heißt es: „Der Sieg steht Hillary Clinton zu.“

Letzteres zielt auf die Tatsache, dass die Demokratin fast 2,9 Millionen mehr Stimmen bekommen hat – und trotzdem nach den Kriterien des „Electoral College“ verlor. Ein Phänomen, das in der amerikanischen Geschichte vorher erst viermal vorgekommen ist. Zuletzt, als der Demokrat Al Gore im Jahr 2000 knapp 500.000 Stimmen mehr errang als George W. Bush und trotzdem das Nachsehen hatte.

Trumps Wahlsieg, bewerkstelligt mit 80.000 Stimmen Vorsprung in drei Bundesstaaten, sei moralisch-ethisch entwertet, sagen seine Gegner. Verfassungstechnisch ist das Humbug. Denn entscheidend ist allein die Zahl der Wahlleute, die ein Kandidat auf sich vereinigen kann. Hier liegt Trump mit 306 zu 232 deutlich vorn. 270 sind nötig, um ins Weiße Haus einzuziehen. Eigentlich also eine Formalie, wenn die Wahlleute an diesem Montag dezentral hinter verschlossenen Türen zusammentreten. Schon weil sie in 29 Bundesstaaten per Gesetz dazu verpflichtet sind, das jeweilige Stimmenergebnis abzunicken. Aber diesmal ist vieles anders.

Weil Donald Trump polarisiert wie noch kein Kandidat zuvor, reden seine Gegner eine Wechselstimmung herbei und den Wahlleuten ins Gewissen. 38 ist die magische Zahl: Verweigern sich exakt so viele Wahlleute Donald Trump, einigen sie sich mit den 232 auf Clinton abonnierten Vertretern auf die Demokratin oder hieven sie einen konservativen Überraschungskandidaten über die Schwelle von 270, ist die Präsidentschaft Trumps mausetot. Bleibt der 70-Jährige lediglich unter dem Quorum, sagen wir 269, geht der Fall ans Repräsentantenhaus im Kongress. Die Republikaner haben dort die Mehrheit. Trump würde also über einen Umweg gewählt.

Ob die Last-minute-Aufrufe zum staatsbürgerlichen Ungehorsam fruchten? Skepsis ist angebracht. Eine Nachrichten-Agentur hat versucht, alle 538 Wahlleute zu vernehmen. 330 wurden erreicht. Ergebnis: Fehlanzeige. Viele fremdeln zwar mit Trump. Niemand will sich aber am Volksentscheid versündigen. Aus „Prinzip“ oder „aus Angst vor sozialen Unruhen“ wollen die allermeisten für Trump stimmen.