Berlin. Künstler und Internet-Aktivisten entscheiden mit über Nachfolger von Joachim Gauck

Schlagersänger, Komiker, schräge Vögel: Bei ihren Nominierungen für die Bundesversammlung haben die Parteien regelmäßig die Chance, Kreativität und popkulturelle Volksnähe unter Beweis zu stellen.

So zum Beispiel die Fraktion der Piraten-Partei in Nordrhein-Westfalen, die am Dienstag bekannt gegeben hat, wen sie über den nächsten Bundespräsidenten abstimmen lassen will. Unter anderem sollen Martin Sonneborn, der für die Satire-Partei Die Partei im Europa-Parlament sitzt, Kabarettist Volker Pispers und YouTuber Tilo Jung am 12. Februar den Nachfolger von Bundespräsident Joachim Gauck wählen. Aber die Fraktion hat nicht nur auf Unterhaltungswert gesetzt: Mit Raul Krauthausen, der sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzt, und Bloggerin und Netz-Aktivistin Katharina Nocun sind auch politische Stimmen unter den Nominierten der Partei.

Alle fünf Jahre haben die Parteien Gelegenheit, ein bisschen Abwechslung und interdisziplinäres Wissen in den Politikbetrieb zu bringen. Die Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, ist mit 1260 Delegierten die größte parlamentarische Versammlung in Deutschland. Die Hälfte der Delegierten sind die 630 Bundestagsabgeordneten – die andere Hälfte nominieren die Parteien in den Landtagen.

Die hessische SPD hat in diesem Jahr Schauspielerin Iris Berben auf die Liste gesetzt, ihre Parteikollegen aus Brandenburg die Sängerin Katja Ebstein und die Grünen aus Nordrhein-Westfalen schicken die Kölner Komikerin Carolin Kebekus nach Berlin.

Die Grünen waren es auch, die Travestie-Künstlerin Olivia Jones aufstellten. „Es gab bislang Wahlmänner und Wahlfrauen, und jetzt gibt es eben auch mal was dazwischen“, erklärte die Drag Queen, die für Niedersachsen in der Versammlung sitzen wird. Für sie als Repräsentantin einer „bunten Republik“ sei es eine große Ehre und für alle, die in diesen schwierigen Zeiten für Toleranz und Vielfalt kämpften, ein kleiner Lichtblick.

Weniger unkonventionell als andere Länder gab sich das bayerische Landesparlament bei seiner Auswahl: Die Liste des Freistaats besteht mit wenigen Ausnahmen aus aktiven oder ehemaligen Politikern. Vielleicht sitzt der Schock von 2004 noch zu tief. Damals hatte die Hausherrin des Regensburger Fürstenschlosses, Gloria von Thurn und Taxis, die CSU blamiert: Sie war von den Konservativen nach Berlin geschickt worden, um Horst Köhler zu wählen – und gab ihre Stimme dann der Herausforderin Gesine Schwan.