Berlin. Verkehrsminister Dobrindt einigt sich mit der EU-Kommission. Wer ein sauberes Auto fährt, hat einen finanziellen Vorteil

Für Alexander Dobrindt war dieser Donnerstag ein besonderer Tag: Selten dürfte ein CSU-Politiker einen Erfolg so genossen haben, wie der Bundesverkehrsminister gestern. Die Pkw-Maut, der Wahlkampfhit seiner Partei aus der vergangenen Bundestagswahl, kann Wirklichkeit werden. Dobrindt hat sich mit der EU-Kommission auf Nachbesserungen an der deutschen Pkw-Maut geeinigt.

Kommt die Pkw-Maut jetzt sicher?

CDU, CSU und SPD haben die Maut in ihrem Koalitionsvertrag vor drei Jahren vereinbart. Sie werden nun alles tun, damit der Kompromiss mit der EU-Kommission auch gelten kann. Sie werden also alle betroffenen Gesetze ändern. Trotzdem: Bis zur Bundestagswahl wird definitiv keine Maut erhoben. Minister Dobrindt hat selbst gesagt, dass dies frühestens in einem Jahr der Fall sei. Dann aber ist eine neue Bundesregierung im Amt. Ob sie an der Maut festhalten wird, ist unklar. Es spricht aber vieles dafür.

Wer zahlt die Maut?

Alexander Dobrindts Plan war und ist, dass alle Autofahrer die Pkw-Maut zahlen. Wer ein Auto fährt, das in Deutschland zugelassen ist, bekommt die Maut automatisch mit der Kfz-Steuer verrechnet. Er muss sich um nichts kümmern. Wer ein Auto (oder Wohnmobil) mit ausländischem Kennzeichen fährt, muss extra zahlen, wenn er auf einer deutschen Autobahn fährt. Die Höhe der Maut errechnet sich aus der Größe des Motors (Hubraum) und seinem Schadstoffausstoß. Ausländische Autofahrer müssen die Maut vor der Fahrt nach Deutschland bezahlen. Das soll elektronisch und über das Internet passieren. Es gibt also keinen Aufkleber auf dem Auto, sondern nur eine Quittung für den Kauf einer digitalen Vignette. Auch die Kontrollen sollen zum Teil elektronisch erfolgen.

Was hatte die EU-Kommission an der Maut auszusetzen?

Die EU-Kommission hatte zwei Kritikpunkte an der Pkw-Maut. Erstens: Ausländer werden diskriminiert, weil deutsche Autofahrer sie auf den Cent genau über die Kfz-Steuer erstattet bekommen sollten, die Ausländer aber nicht. Zweitens: Die Kurzzeittarife, die von Ausländern genutzt werden, sind im Verhältnis zum Jahrespreis zu teuer. Beides soll nun anders werden. Deutsche Autofahrer, die sehr saubere Autos fahren (Euro-6-Norm), bekommen mehr Kfz-Steuer erstattet als sie Maut zahlen. Insgesamt sind das 100 Millionen Euro. Und: Die günstigste Zehn-Tages-Maut soll nur noch 2,50 Euro statt fünf Euro kosten. Dafür soll die teuerste 20 Euro statt bisher 15 Euro kosten. Gleichzeitig wird die Staffelung der Maut nach Hubraum und Schadstoff enger: Aus drei Maut-Stufen werden fünf. Das gilt auch für den Jahrestarif, der bei maximal 130 Euro bleibt und nicht teurer wird.

Wer gewinnt, wer verliert?

Gewonnen haben deutsche Autofahrer mit sehr sauberen Motoren. Sie bekommen mehr Kfz-Steuer erstattet als sie Maut zahlen. Verloren haben ausländische Autofahrer mit großen und schmutzigen Autos. Sie müssen mehr Maut zahlen als bisher geplant. Minister Dobrindt hat gewonnen, weil die Maut nun kommen kann. Verloren hat er, weil sein ursprüngliches Konzept gescheitert ist und er vor der Bundestagswahl keine Zeit mehr für einen langen Rechtsstreit mit der Kommission hatte.

Wie viel Geld kommt in die Kassen?

Das ist die spannende Frage. Das Verkehrsministerium kalkuliert mit „rund zwei Milliarden Euro in einer Wahlperiode“. Das lässt vermuten, dass es pro Jahr rund 500 Millionen Euro sind. Die Formulierung legt aber nahe, dass es zunächst weniger ist und später vielleicht mehr. Eingeplant waren bisher tatsächlich 500 Millionen Euro. Dass Dobrindts Beamte bei der Summe bleiben, begründen sie mit „weiter gestiegenem Verkehrsaufkommen ausländischer Fahrzeuge“. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) macht zur Bedingung, dass die Maut überhaupt nennenswerte Mehreinnahmen bringt.

Wie geht es weiter?

Dobrindt muss sein Mautgesetz ändern. Gleichzeitig muss Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Gesetz für die Kfz-Steuer ändern. Bundestag und Bundesrat müssen beides beschließen. Das wird erst im Frühjahr passieren. Dann erst will die EU-Kommission ihre Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zurückziehen. Dann erst kann das Kraftfahrtbundesamt mit dem Aufbau eines „Infrastrukturabgaberegisters“ starten, in dem alle Autos, für die Maut gezahlt wird, erfasst werden. Dann kann auch erst die Ausschreibung für den Betrieb des Mautsystems starten. Dieses Vergabeverfahren wird etwa ein Jahr dauern.

Wie reagieren die anderen EU-Länder?

Für Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) ist auch der Kompromiss „diskriminierend“ für Ausländer, wenngleich dies nun etwas „verschleiert“ werde. Er werde sich mit den Niederlanden, Belgien und Polen abstimmen und eventuell vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen.

Kann die Maut wieder abgeschafft
werden?

Die Grünen wollen die Pkw-Maut im Fall einer Regierungsbeteiligung tatsächlich wieder abschaffen. „Wenn die Bundesregierung die Dobrindt-Maut nicht stoppt, steht sie bei einer grün mitregierten Regierung weit oben auf der Rücknahme-Liste“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter dieser Redaktion. Die „Dobrindt-Maut“ sei volkswirtschaftlich unsinnig, denn Aufwand und Ertrag seien unverhältnismäßig. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch glaubt nicht, dass das Gesetz durch die Länderkammer kommt: „Die Maut wird in dieser Legislatur nicht Gesetz werden, weil die große Koalition ein solches Gesetz einschließlich Bundesrat nicht hinbekommt.“ In der nächsten Wahlperiode sei die Maut „erledigt.“