Ankara. Regierungspartei AKP forciert Pläne für ein Präsidialsystem

Die Türkei steht vor der wichtigsten politischen Weichenstellung seit Einführung des Mehrparteiensystems nach dem Zweiten Weltkrieg: In der kommenden Woche sollen die parlamentarischen Beratungen über die Einführung eines Präsidialsystems beginnen. Es wird dem amtierenden Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan eine noch größere Machtfülle geben. Dazu ist eine Verfassungsänderung nötig. Die erforderliche Mehrheit im Parlament scheint gesichert.

So soll das Amt des Premierministers abgeschafft werden und seine Kompetenzen auf den Staatspräsidenten übergehen, erläuterte Mustafa Sentop, Vorsitzender des Verfassungsausschusses. Der Präsident könne künftig Dekrete erlassen und mit seinem Veto Gesetzentwürfe des Parlaments zurückweisen. Die Pläne sehen laut Ministerpräsident Binali Yildirim auch vor, dass der direkt vom Volk gewählte Staatspräsident nicht mehr zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet sein wird.

„Wir werden die Vorlage für die Verfassungsänderung kommende Woche dem Parlament unterbreiten“, kündigte Premier Yildirim am Donnerstag in Ankara nach einem Treffen mit dem Oppositionspolitiker Devlet Bahceli an. Die von Bahceli geführte ultra-nationalistische Partei MHP will die Initiative unterstützen.

Die regierende islamisch-konservative Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) verfügt im Parlament über 316 Stimmen, die MHP über weitere 40. Um eine Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung anzusetzen, müssen mindestens 330 der 550 Abgeordneten zustimmen. Wann das Parlament über die Vorlage abstimmt, ist noch unklar. Die Gesetze sehen vor, dass im Anschluss eine Volksabstimmung durchgeführt wird. Yildirim sagte: „Wenn alles nach Plan läuft, kann das Referendum im Frühsommer stattfinden.“

Die größte Oppositionspartei CHP lehnt die geplante Verfassungsänderung ab. CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu wirft Erdogan vor, er wolle sich mit der Einführung des Präsidialsystems zum Alleinherrscher aufschwingen und eine Diktatur errichten.