Washington. Der designierte US-Präsident hat im Wahlkampf große Versprechungen gemacht. Vieles wird er nicht halten. Das zeigt sich immer deutlicher

Im Wahlkampf wetterte Donald Trump regelmäßig gegen die Kollateralschäden der Globalisierung. Er versprach, die Abwanderung von US-Fabriken in Billiglohnländer zu stoppen. Ausgelagerte Jobs würden in 1000er-Dimension wieder nach Amerika zurückgeholt. Dabei war der Klimaanlagenhersteller „Carrier“ im Bundesstaat Indiana sein Paradebeispiel. Die Firma und ein zum selben Konzern gehörendes Unternehmen hatten im Frühjahr angekündigt, rund 2100 Arbeitsplätze nach Mexiko zu verlagern. Trump hatte getönt, den Job-Killer abzuwenden – „und zwar zu 100 Prozent“. Auch darum liefen ihm bei der Wahl am 8. November nicht nur im Großraum Indianapolis die Wähler aus der Industriearbeiterschaft in Scharen zu.

Jetzt zeigte sich vor den Werkstoren von Carrier, was das Wort des Milliardärs wirklich zählt. Knapp 1000 Arbeitsplätze, so hatte Carrier schon vor dem sorgfältig inszenierten Auftritt verlauten lassen, bleiben vorläufig in Amerika. Wie lange, weiß niemand. Der Rest geht wie beschlossen nach Mexiko, wo ein Arbeiter am Tag das verdient (etwa 23 US-Dollar), was ein US-Arbeiter in der Stunde bekommt. Donald Trump, als Retter des Proletariats angetreten, konnte nur Teilvollzug melden, stellte das Resultat gleichwohl als „großartigen Erfolg“ heraus. Der Jubel in der Belegschaft fiel ambivalent aus.

Mehrere Superreiche werden unter Trump Minister

Kritiker erkennen darin ein Muster. In den ersten drei Trump-Wochen nach der Wahl „sind reihenweise Maximal-Forderungen und Versprechungen einkassiert worden“, schreibt das Magazin „Politico“. Vom Mauerbau an der Grenze zu Mexiko, von der rigorosen Abschiebung Millionen Illegaler, von der Komplettstreichung der finanziell aus dem Ruder laufenden Krankenversicherung „Obamacare“, von einer Gefängnisstrafe für Hillary Clinton und von einem Zurückdrängen der dem normalen Volk enteilten Eliten könne wahrlich keine Rede mehr sein. Nur ein Detail: Mit Betsy DeVos (Bildung), Wilbur Ross (Handel) und Steven Mnuchin (Finanzen) hat Trump drei Privatiers in seine Regierungsmannschaft berufen, die zusammengerechnet auf ein Privatvermögen von etwa 7,5 Milliarden US-Dollar kommen und seit Jahren als Geldgeber in Washington bekannt waren. Weitere Superreiche würden folgen, wenn etwa der frühere Präsidentschaftskandidat Mitt Romney auf den Posten des Außenministers rücken sollte. „Was ist das denn, wenn nicht Elite?“, fragte das Internetportal „Slate“. Die „New York Daily News“ nannte Trump „wortbrüchig“.

Noch vor der Amtseinführung demonstriere der New Yorker Unternehmer, dass seine Versprechungen nur eine „sehr begrenzte Halbwertzeit haben“, sagen Fachleute der Denkfabrik Cato in Washington. „Für einen Deal, für ein schnelles Geschäft auf Gegenseitigkeit, das ihn in den Schlagzeilen als tatkräftigen Macher erscheinen lässt, wirft Donald Trump jede Überzeugung über Bord.“ Der Fall Carrier sei hier geradezu prototypisch für das, was Amerika nicht nur im Bereich Wirtschaft in den kommenden vier Jahren zu erwarten habe: „Mehr Schein als Sein.“

Noch vor einer Woche hatte die Firmenspitze den Gang nach Mexiko als alternativlos bezeichnet. Betroffenen Arbeitern wurden über vier Jahre Umschulungsmaßnahmen und Finanzhilfen angeboten. Wie es im Detail binnen weniger Tage zu dem Sinneswandel kam, liegt noch im Dunkeln. Die zuständige Gewerkschaft United Steelworkers wusste jedenfalls von nichts.

Weil Trumps Vizepräsident Mike Pence (de facto noch Gouverneur von Indiana) an den Verhandlungen aktiv beteiligt war, gingen Medien von massiver staatlicher Unterstützung aus – „damit Trump nicht sein Gesicht verliert“. Wirtschaftsmagazine berichteten von einer Steuerbefreiung im Volumen von 700.000 Dollar pro Jahr. Der Sender MSNBC sprach bereits von „großer Bestechung“. Die „New York Times“ machte ihr Urteil über die Sicherung des Standortes davon abhängig, „welche Kosten dem Steuerzahler dafür aufgebürdet werden“. Trump-freundliche Medien wie der Sender Fox News sehen das Glas dagegen randvoll. „Trump krempelt die Ärmel hoch. Trump liefert.“ Wirklich?

„Trump hat sich erpressbar gemacht“, sagen Wirtschaftsexperten wie Robert Reich. Es sei nun damit zu rechnen, dass auch andere Vorstandsbosse Trump eine „Bleibeprämie“ abtrotzen werden. Nachhaltige Wirtschaftspolitik sei das nicht. Und schon gar nicht signifikant. „Seit dem Jahr 2000 sind rund fünf Millionen Industriearbeitsplätze in Amerika weggefallen“, sagt Reich, „unter Präsident Obama wurde 800.000 neue Stellen geschaffen.“

Wirtschaftsexperten schätzen darum die Wiederholbarkeit von Trumps Rettungsaktion sehr verhalten ein. Die Globalisierung zu revidieren, „ist unmöglich“, sagt John Van Reenen, Wirtschaftsprofessor am M.I.T in Massachusetts. Die „fundamentalen Kräfte“, die hier am Werk seien, könnten auch durch noch so großzügige Steuergeschenke nicht kompensiert werden.

Und nicht alle Firmen, die auf Kostensenkung aus sind, böten „politische Angriffsflächen“ wie Carrier. Das Unternehmen gehört zu „United Technologies“. Dort stellt die Tochter-Company Pratt & Whitney Triebwerke für Kampfjets der US-Luftwaffe her. Wäre United-Chef Greg Hayes, der einen dicken Batzen des jährlichen Umsatzes von 65 Milliarden Dollar mit dem Pentagon macht, hart geblieben und hätte Carrier gegen Trumps massives Drängen den Mexiko-Plan nicht teilweise aufgegeben – „der Verlust von staatlichen Aufträgen im Militärsektor wäre wahrscheinlich gewaltig geworden“, sagen Analysten beim Finanzdienstleister Bloomberg. Dort hält man es für selbstverständlich, dass Trump diese Karte gemäß seines Buchbestsellers „Die Kunst des Deals“ hinter verschlossenen Türen gespielt hat. „Um wenigstens teilweise sein Wort halten zu können.“