Berlin. Internationale Schulleistungsstudie TIMSS stellt Deutschland ein ernüchterndes Zeugnis aus. Viertklässler landen in Mathematik unter dem EU-Durchschnitt

Es gibt Kinder, die können schon bei der Einschulung rechnen. Und es gibt andere, die können nicht einmal den Stift ordentlich halten, geschweige denn Zahlen aufs Papier malen. Das ist die Ausgangslage in vielen deutschen Grundschulen. Und leider gelingt es oft nicht, die großen Unterschiede im Laufe der ersten vier Schuljahre auszugleichen, wie das Ergebnis der internationalen Schulleistungsstudie TIMSS („Trends in International Mathematics and Science Study“) zeigt: Jedes vierte Grundschulkind erreicht am Ende der vierten Klasse nicht einmal Basiskenntnisse in Mathematik.

Die Folge sind schlechte Noten und erhebliche Probleme für die restliche Schulzeit. Denn: Wenn die Schüler später von der Grundschule auf die weiterführende Schule wechseln, wird vorausgesetzt, dass sie Grundrechenarten sicher beherrschen, einfache Textaufgaben lösen und geometrische Figuren zeichnen können. Wer das nicht kann, hat kaum Chancen, es aufzuholen, sagt Wilfried Bos, Studienleiter von der Technischen Universität Dortmund, „Die Fachlehrer wissen oft nicht, wie man Basales nachholt.“

Für „TIMSS 2015“ ließen sich weltweit mehr als 300.000 Grundschüler in gut 50 Staaten und Regionen testen. In Deutschland nahmen zum dritten Mal nach 2007 und 2011 rund 4000 Viertklässler teil. Das Ergebnis ist ernüchternd: „Andere Länder haben deutlich zugelegt, wir sind stehengeblieben“, sagt Bos. Schaut man nur auf die Mathe-Leistungen, hat sich Deutschland sogar leicht verschlechtert und liegt heute unter dem EU-Durchschnitt. In den Naturwissenschaften blieben die Leistungen der deutschen Viertklässler zwar auf dem Niveau der Vorgängerstudie von 2011 – liegen damit aber inzwischen nur noch knapp über dem EU-Mittelwert.

Bei den Naturwissenschaften herrscht Stillstand

Claudia Bogedan, Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), räumt ein: „Es ist uns nicht gelungen, das Schulsystem so zu verbessern wie es in anderen Ländern gelungen ist.“ Es gebe jedoch keinen Grund, sich zu schämen: „Deutschland hat sich gehalten – unter schwierigen Bedingungen.“ Gemeint sind: Große soziale Unterschiede, viele Kinder aus Zuwandererfamilien. Doch das sind Herausforderungen, die auch andere EU-Nachbarn schultern müssen. Warum es dort dennoch besser klappt? Achselzucken. „Wir müssen uns die Ergebnisse genau anschauen“, sagt Bogedan.

Denn Stillstand gibt es nicht nur bei den schwachen, sondern auch bei den leistungsstarken Kindern: Nur jeder zwanzigste Grundschüler schafft es in Mathematik auf die höchste Kompetenzstufe – das war auch schon in den Jahren 2009 und 2011 nicht anders. Zum Vergleich: In Singapur erreicht jedes zweite Kind die höchste Leistungsstufe, in Russland ist es jedes fünfte und in Dänemark immerhin noch jedes achte. Bei den Naturwissenschaften schwankt die Quote der deutschen Spitzenschüler von 9,6 Prozent (2007) über 7,1 Prozent (2011) auf jetzt 7,6 Prozent. Auch hier liegen etliche EU-Länder weiter vorne.

Besonders bitter: Nach wie vor ist der Schulerfolg in Deutschland abhängig vom Elternhaus. Der Leistungsvorsprung von Kindern, deren Eltern in Deutschland geboren wurden, beträgt gegenüber Kindern, deren Eltern beide aus dem Ausland stammen, in Mathematik 31 Punkte, was fast einem ganzen Schuljahr entspricht. In den Naturwissenschaften liegen die Zuwandererkinder im Mittel sogar 47 Punkte zurück.

Doch es geht nicht nur um Einwandererstatus: Die TIMSS-Experten fragen jedes Mal auch nach dem Bildungshintergrund der Eltern – gemessen an der Anzahl von Büchern pro Haushalt. Das Ergebnis: Schüler mit mehr als 100 Büchern zu Hause haben in Deutschland gut ein Lernjahr Leistungsvorsprung in Mathe. In den meisten EU-Ländern sind die Nachteile von Schülern aus bildungsfernen Elternhäusern dagegen geringer – etwa in den Niederlanden, in Belgien, Italien, Spanien oder Finnland.

Immerhin, auch das zeigt die neue TIMSS-Runde: Zwei von drei Kindern finden Mathe gut. Doch auch dieser Wert ist seit dem Jahr 2007 stetig zurückgegangen