Berlin.

Im politischen Berlin sind Kontakte zu Entscheidungsträgern in Regierung und Bundestag viel wert. Unternehmen und Lobbygruppen treiben einen hohen Aufwand, um mit Ministern oder Abgeordneten ins Gespräch zu kommen – mal ohne, mal mit direktem Geschäftsinteresse. Eine SPD-eigene Agentur für Öffentlichkeitsarbeit hat daraus ein ungewöhnliches Finanzierungsmodell entwickelt: Interessierte Wirtschaftsvertreter konnten für mehrere tausend Euro Veranstaltungen einer „Vorwärts-Gesprächsreihe“ mitfinanzieren – und dort SPD-Minister, Staatssekretäre oder Parteifunktionäre treffen. Jetzt steht der Vorwurf verdeckter Parteienfinanzierung im Raum – doch die zuständige Verwaltung des Bundestags gibt Entwarnung: Die Praxis verstoße nicht gegen das Parteiengesetz, erklärte ein Sprecher am Abend auf Anfrage dieser Zeitung.

Die jahrelange Praxis hat das ZDF-Magazin „Frontal 21“ aufgedeckt. Die SPD-Agentur Network Media GmbH (NWMD), die unter anderem Veranstaltungen und Kampagnen organisiert, bot demnach gegen Zahlungen von 3000 bis 7000 Euro Treffen mit hochrangigen SPD-Politikern an. An den Gesprächen nahmen laut ZDF unter anderem Justizminister Heiko Maas, Arbeitsministerin Andrea Nahles, Umweltministerin Barbara Hendricks, Familienministerin Manuela Schwesig, Fraktionschef Thomas Oppermann, die Generalsekretärin Katarina Barley, Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machnig und der SPD-Bundestagsabgeordnete Hubertus Heil teil.

Wie die Abmachungen aussahen, zeigt etwa ein „Angebot für die Unterstützung des Vorwärts-Gesprächs am 29. November 2016.“ Die Agentur, eine Tochterfirma des SPD-eigenen Vorwärts-Verlags, wollte für die Organisation des Gesprächs mit dem Parlamentarischen Verbraucherschutz-Staatssekretär Ulrich Kelber (SPD) inklusive Catering und die Sponsorennennung einen Betrag von 7000 Euro. Der „Vorwärts“ ist das SPD-Parteimagazin.

Die Agentur bestätigte am Dienstag, es gebe Auftritte von SPD-Politikern bei der „Vorwärts-Gesprächsreihe“, die von Sponsoren unterstützt würden. Allerdings wies die NWMD-Geschäftsführung den Verdacht einer verdeckten Parteienfinanzierung zurück: Der „Vorwärts“-Gruppe seien aus der Gesprächsreihe in den von Wirtschaftsprüfern kontrollierten Jahren 2012 bis 2015 keine Gewinne entstanden, und sie habe keine Gewinne an die SPD-eigene Druck- und Verlagsgesellschaft ddvg abgeführt. Die Zahl der Veranstaltungen gab die Agentur mit jährlich weniger als zehn an. „Weder der ,Vorwärts‘ noch NWMD ,verkaufen‘ Gesprächstermine mit Entscheidern gegen Geld“, hieß es.

Vergleich mit der„Rüttgers-Affäre“ von 2010

Der Eindruck einer besonderen Exklusivität sei zudem falsch: Die Zahl der Teilnehmer dieser Gespräche habe bei bis zu 20 Personen gelegen, ohne dass der Sponsor darauf Einfluss gehabt hätte. „Frontal 21“ zitierte Experten, die sehr wohl einen Verstoß gegen das Parteienrecht sehen. So erklärte die Staats- und Verwaltungsrechtlerin Sophie Schönberger, die Sponsoringpraxis sei rechtswidrig, weil Transparenzpflichten umgangen würden.

Doch die zuständige Bundestagsverwaltung teilt diese Einschätzung ausdrücklich nicht. Dieser Zeitung erklärte ein Sprecher, nach geltendem Recht seien „Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Finanzierungsregeln des Parteiengesetzes nicht zu erkennen“. Parteien sei nach dem Parteiengesetz die Gründung von Gesellschaften, juristischen Personen und Unternehmen ebenso erlaubt wie eine Beteiligung daran. „Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien über ihre Finanzen erstreckt sich nicht auf das Zahlenwerk solcher eigenständigen Gesellschaften“, hieß es in der Sprecher-Erklärung weiter. Der Sachverhalt erinnere an die 2010 bekannt gewordenen „Vorwärts“-Veranstaltungen, die sogenannten „Kaminabende“. Auch damals sei ein Gesetzesverstoß nicht zu erkennen gewesen.

Für die Durchführung der Vorschriften über die staatliche Parteienfinanzierung und die Sanktionierung von Verstößen ist der Präsident des Bundestages als mittelverwaltende Behörde zuständig. In der CDU-Parteizentrale hieß es dagegen, es stehe der Verdacht im Raum, dass die SPD gegen das Parteiengesetz verstoßen habe. Auch die anderen Parteien im Bundestag erklärten, eine solche Praxis gebe es bei ihnen nicht. In der SPD hieß es, SPD-Politiker ließen sich „weder kaufen noch mieten“. Parteichef Sigmar Gabriel hatte schon auf Anfrage des ZDF-Magazins erklärt, er wisse nichts von gesponserten Gesprächen und habe selbst nie daran teilgenommen. Gabriel und andere SPD-Spitzenpolitiker äußerten sich am Dienstag nicht, offenbar um den Eindruck zu unterstreichen, das Vorgehen der Kommunikationsagentur habe mit der Parteizentrale nichts zu tun.

Doch wehrten sich Sozialdemokraten gegen den Vergleich mit der „Rüttgers-Affäre“: 2010 war bekannt geworden, dass die NRW-CDU exklusive Gespräche mit Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers gegen Bezahlung anbot. Das war von der SPD kritisiert worden. Anders als bei Rüttgers sei es niemals um exklusive Treffen der Sponsoren mit Politikern gegangen, hieß es in der SPD.