Berlin. Die Zahl der Asylanträge nach dem Putschversuch ist stark gestiegen. Doch nur sehr wenige haben Erfolg

Journalisten, Politiker, Diplomaten und jetzt auch Soldaten: Vier Monate nach dem Putschversuch in der Türkei haben viele die Hoffnung auf eine Zukunft in ihrem Land verloren. Der Exodus von regimekritischen Türken, die Zuflucht in Deutschland suchen, wird stärker. Das zeigen auch die jüngsten Daten der deutschen Behörden: Die Zahl der Asylanträge aus der Türkei ist stark angestiegen.

Anfang November haben mehrere türkische Soldaten aus dem Nato-Hauptquartier im pfälzischen Ramstein zusammen mit ihren Familien um Asyl in Deutschland gebeten. Zu den rund 500 Soldaten der Nato-Luftstreitkräfte, die in Ramstein stationiert sind, gehören etwa 30 Türken.

Ebenfalls in den vergangenen Wochen haben allein in Nordrhein-Westfalen mindestens 43 Personen mit türkischen Diplomatenpässen Zuflucht gesucht. Wie die „Rheinische Post“ berichtet, handelt es sich dabei um Diplomaten und ihre Familien sowie Soldaten, die Asyl beantragt haben.

Sie sind nicht die einzigen: Bundesweit stellten von Januar bis Oktober nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 4437 Türken einen Asylantrag in Deutschland. Im Jahr zuvor dagegen waren es nur 1767, vor zwei Jahren nur 1806 Anträge. Ein Großteil der Asylsuchenden waren Kurden. Besonders in den Monaten nach dem Putschversuch vom 15. Juli registrierte das System zur Erstverteilung der Asylbegehrenden (EASY) eine stete Zunahme: Während in den ersten Monaten des Jahres jeweils zwischen 275 und 352 Asylsuchende aus der Türkei registriert wurden, waren es im August bereits 375, im September 446 und im Oktober 485.

Im Innenministerium heißt es dazu, dass nicht allein der Putsch und die folgende Verhaftungswelle Grund für den starken Anstieg seien. Die politische Entwicklung in der Türkei, der Kurdenkonflikt und die Lage der Opposition verschärfen sich seit Langem. „Seit Mitte 2015 haben die Zahlen zu steigen begonnen“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums dieser Zeitung.

Innenexperte: Die Zahlen werden weiter steigen

Doch die wenigsten Asylsuchenden aus der Türkei haben Erfolg – in diesem Jahr lag die Schutzquote mit 7,2 Prozent sogar noch niedriger als in den vergangenen beiden Jahren. Und längst nicht alle Schutzsuchenden bekommen tatsächlich politisches Asyl – manche werden nur vorübergehend als Flüchtling anerkannt, bei anderen wird bloß ein Abschiebeverbot festgestellt.

Die große Mehrheit der Anträge dagegen wurde komplett abgelehnt oder (auf Grund der Dublin-Regelung) an einen anderen europäischen Staat verwiesen.

Dennoch: „Wir müssen damit rechnen, dass die Zahl der Türken, die in Deutschland politisches Asyl suchen, noch weiter steigen wird“, sagte Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, dieser Zeitung. Der CSU-Politiker warnte allerdings davor, aktiv um Oppositionelle zu werben: „Wir lösen die Probleme in der Türkei nicht dadurch, dass wir alle regimekritischen Bürger einladen, bei uns Asyl zu beantragen.“ Diesen Gefallen sollte Deutschland Präsident Erdogan nicht tun. „Denn genau das will er doch: dass die Opposition verschwindet“, so Mayer.

Anfang letzter Woche hatte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), verfolgten türkischen Oppositionspolitikern, Wissenschaftlern und Journalisten ein eindeutiges Angebot gemacht: Deutschland stehe allen politisch Verfolgten im Grundsatz offen, sagte Roth.

In Folge des Putschversuchs steigen nicht nur die Asylgesuche: Beim Menschenrechtsgerichthof in Straßburg sind bereits 3000 Beschwerden eingegangen - darunter auch die Klage einer türkischen Richterin, die in Straßburg gegen ihre Festnahme nach dem Putschversuch vorgehen wollte. Das Gericht wies die Klägerin jedoch ab: Sie müsse zunächst vor das türkische Verfassungsgericht ziehen, hieß es am Donnerstag. Der Gerichtshof hatte sich zum ersten Mal mit den Ereignissen vom 15. Juli befasst.