München.

Horst Seehofer ist zufrieden. Politische Ränkespiele sind seine Sache und diesmal hat der Taktiker gut gespielt. Dass ein Thema das Fernbleiben der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel beim CSU-Parteitag überlagern könnte, schien unmöglich. Doch ausgerechnet die belächelte Infrastrukturabgabe, besser bekannt als „Pkw-Maut“ und Herzensanliegen der CSU, bestimmte am Freitag die Agenda in München. Die voraussichtliche Einigung mit der EU-Kommission bei dem bereits abgeschriebenen Projekt ist Wasser auf die Mühle des CSU-Vorsitzenden. Geschickt an die Öffentlichkeit durchgestochen am Abend vor dem Delegierten-Treffen.

Seehofer hatte seinen Schützling, den ehemaligen CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, 2013 als Bundesverkehrsminister an den Kabinettstisch nach Berlin geschickt, um die Autobahnmaut durchzukämpfen. Eine unliebsame Aufgabe. Auch Merkel lehnte die Maut ab. Und nun gibt Brüssel grünes Licht.

Sollte die Einigung wie anvisiert im November zustande kommen, „dann haben wir alles realisiert, was wir der Bevölkerung 2013 versprochen haben“, so der bayerische Ministerpräsident. „Ich fahr zwar anschließend in die Staatskanzlei und schau, ob mein Stuhl noch frei ist“, leitet er sein Lob Dobrindts ein. Das Parteivolk registriert es genau, in einer Zeit, in der sich mögliche Seehofer-Nachfolger gegenseitig belauern. Es ist ein Punktsieg für den misstrauischen Bundesverkehrsminister. Seehofer brachte nicht umsonst vor dem Parteitag ins Spiel, dass ein Nachfolger als CSU-Chef künftig in Berlin präsent sein soll. Dafür wäre er bereit, sein Parteiamt vorzeitig aufzugeben und nur Ministerpräsident zu bleiben. Seitdem haben sich CSU-Politiker wie Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann öffentlich mit dem Gedanken der Ämtertrennung angefreundet. Seehofer, der alles daransetzt, seinen Intimfeind Markus Söder zu verhindern, nimmt es gerne zu Kenntnis. Der als Nachfolger hoch gehandelte bayerische Finanzminister hatte stets deutlich gemacht, auf jeden Fall in Bayern bleiben zu wollen. So schön ist es in der CSU. Seehofer schlägt in seiner über einstündigen Rede Bögen von den Erfolgen bayerischer Politik, von geplanten Steuersenkungen im Wahlkampf und „tektonischen Veränderungen in der politischen Landschaft“, bei denen die CSU Kurs halten werde. Erst dann kommt er auf „seine Angela“ zu sprechen.

Rückblick: 2015 hatte Merkel eine kurze Ansprache an die Delegierten gehalten, ihre Flüchtlingspolitik der damals noch offenen Arme verteidigt. Seehofer trat ans Pult und redete diese Politik in Grund und Boden. Merkel stand schweigend daneben. Der bayerische Ministerpräsident, der die neben ihm stehende Kanzlerin der Schwesterpartei abkanzelt – ein Affront.

Ein Jahr später bekommt die Kanzlerin keine Einladung. Es ist das erste Mal in Merkels Amtszeit, dass sie kein Grußwort beim CSU-Treffen spricht. Seehofer verteidigt die Absage, die er gemeinsam mit der CDU-Vorsitzenden getroffen haben will. „Dissens auf offener Bühne wäre ein grober politischer Fehler“, erklärt er unter Anspielung auf den Streit über eine Flüchtlingsobergrenze. Er habe da so seine Erfahrungen gemacht. „Es ist auch nicht verkehrt, wenn man im höheren
Alter klüger wird“, sagt er unter Anspielung auf das vergangene Jahr. Das ist schon fast eine Entschuldigung. Zumindest für Seehofer. Doch bei der Aufnahme von Flüchtlingen bleibt er hart: „Ich werde in dieser Frage die Seele der
CSU nicht verkaufen.“ Die deutsche Leitkultur bleibe der wichtigste Grundsatz bei der Integration.

Ob Angela Merkel angesichts dieser Ausführungen gern in München dabei
gewesen wäre, bleibt ihr Geheimnis.
Aber die Kanzlerin weiß aus Erfahrung, dass ein angeschossener bayerischer Löwe langfristig gefährlicher ist, als einer, der sein Rudel hinter sich weiß.