Berlin.

Die Zahl der EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ist weiter gestiegen. Nach Informationen aus dem Wirtschaftsministerium gibt es derzeit 89 laufende Verfahren gegen die Bundesrepublik, weil sie EU-Gesetzgebung nicht oder nur verspätet umsetzt. Ende 2015 gab es 88 Verfahren. Seit 2012 steigt die Zahl der Fälle kontinuierlich an, die die EU-Kommission gegen Deutschland eingeleitet hat. „Wir erwarten auch von dem größten EU-Mitgliedsland, dass es seiner Pflicht nachkommt, EU-Recht umzusetzen“, sagte ein Kommissionssprecher.

Deutschland ist seit Längerem kein Musterknabe mehr: 2015 lag die Bundesrepublik nach Kommissionsangaben bei den Verfahren zusammen mit Italien an der Spitze der 28 EU-Staaten.

Das für die Verfahren zuständige Wirtschaftsministerium räumte eine Steigerung vor allem im Jahr 2015 (von 68 auf 88) ein. Allerdings gebe es dafür eine Vielzahl von Gründen, „die nicht allein aufseiten Deutschlands liegen“, sagte ein Sprecher. So sei für die hohe Zahl auch eine „teils verzögerte Einstellung von Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommission“ verantwortlich. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) etwa hatte der EU-Kommission monatelang vorgeworfen, das Verfahren wegen der umstrittenen Pkw-Maut zu verzögern, statt den europäischen Gerichtshof anzurufen. Diesen Schritt ging die Kommission, die für die Verzögerung das Verkehrsministerium verantwortlich machte, dann Ende September.

In Brüssel wird darauf verwiesen, dass sowohl die Energiewende als auch der Föderalismus zu der hohen Zahl an Vertragsverletzungsverfahren beitragen. Es hake manchmal an der nötigen Umsetzung auch durch die 16 Bundesländer. Die EU-Verfahren werden dann immer gegen Deutschland und nicht gegen ein Bundesland geführt.