Ankara.

Die Türkei hat in die Militäroffensive zur Rückeroberung der nordirakischen Stadt Mossul von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eingegriffen. Auf Bitten kurdischer Peschmerga-Kämpfer hätten türkische Truppen Artillerie- und Panzerfeuer eingesetzt, sagte Ministerpräsident Binali Yildirim. Die Peschmerga seien bei der Eroberung der Stadt Baschika aus dem nahe gelegenen Trainingslager der türkischen Armee heraus unterstützt worden. Der irakische Regierungschef Haider al-Abadi lehnt bisher jede Unterstützung aus der Türkei ab.

Was will Erdogan in Mossul? Die Türkei müsse mit am Tisch sitzen, wenn nach einer Vertreibung des IS über die Zukunft der Stadt entschieden wird, so Erdogan. In Ankara fürchtet man nicht nur, dass die PKK, die ihr Hauptquartier in den Kandil-Bergen des Nordirak hat, in Mossul an Einfluss gewinnen könnte. Vor allem will Erdogan verhindern, dass die Stadt unter die Kontrolle der vom Iran unterstützten schiitischen Milizen gerät. In Mossul dürften nach der Befreiung nur sunnitische Araber, Turkmenen und sunnitische Kurden leben, fordert Erdogan. Die christlichen Minderheiten, die vor dem IS aus der Region flohen, erwähnte Erdogan übrigens nicht.

Die Türkei ist schon seit 1992 im Nordirak militärisch präsent, um die PKK in Schach zu halten. Ende 2015 verstärkte Ankara diese Truppen mit Hunderten weiteren Soldaten und zwei Dutzend Kampfpanzern – in Absprache mit dem irakischen Kurdenführer Massud Barsani. Ob auch mit Billigung Bagdads, ist strittig. Heute bezeichnet die irakische Zentralregierung jedenfalls die türkischen Truppen als „Besatzer“ und fordert ihren Rückzug. Auf dem Militärstützpunkt von Baschika bei Mossul trainierten die türkischen Soldaten in den vergangenen Monaten sunnitische Milizen. Jetzt sollen sie, so will es Erdogan, selbst in Mossul einmarschieren.

Dabei geht es dem türkischen Präsidenten möglicherweise um mehr als die demografischen Strukturen. Die Provinz Mossul gehörte zum Osmanischen Reich, bis sie im Ersten Weltkrieg von den Briten besetzt und 1926 dem Irak zugeschlagen wurde. Jetzt meldet Erdogan indirekt Gebietsansprüche an: Man solle nur „den Misak-i Milli lesen, dann wird man verstehen, welche Bedeutung Mossul für uns hat“, so der Präsident. Der Misak-i Milli, der „Nationalpakt“, war das Manifest der türkischen Unabhängigkeitsbewegung nach dem Ersten Weltkrieg. Danach gehören die Region Mossul wie auch das im Vertrag von Lausanne Griechenland zugeschlagene Westthrazien und die syrische Provinz Aleppo zur Türkei.