Moskau.

Das sei ein Gefühl, als hätte die Ukraine noch einmal den Eurovisionswettbewerb gewonnen, feixte der Kiewer TV-Journalist Leonid Kanfer auf Facebook. In Kiew herrscht an Häme grenzende Freude, in Donezk aber Wut, nachdem am Sonntag der Donezker Rebellenkommandeur Arsen Pawlow starb. Der Kriegsheld der prorussischen Separatisten mit dem Kodenamen „Motorola“ war bei einer Bombenexplosion im Lift seines Wohnhauses umgekommen.

„Das heißt, Pjotr Poroschenko hat uns den Krieg erklärt“, schimpfte Alexander Sachartschenko, Chef der separatistischen Donezker Volksrepublik (russisch kurz DNR) in einer TV-Ansprache und drohte den Offizieren der ukrainischen Sicherheitsdienste und ihren Familien grausame Rache an: „Wenn wir zu euch nach Hause kommen, wird es keine Gnade geben.“

Heute wollen sich in Berlin Angela Merkel, François Hollande, Wladimir Putin und Petro Poroschenko treffen, um über die weitere Umsetzung der Minsker Friedensvereinbarung vom Februar 2015 zu beraten. Aber im Krisengebiet in der Ostukraine herrscht alles andere als versöhnliche Stimmung. Nicht nur wegen „Motorolas“ Tod.

Die Lage im Krisengebietist gespannt

Der Autoschlosser aus der nordrussischen Republik Komi hatte sich im Frühjahr den Rebellen im Donbass angeschlossen und es bis zum Kommandeur des Bataillons „Sparta“ gebracht. Er galt als Draufgänger, verkaufte mit Helmkameras aufgenommene Kampfszenen an russische TV-Sender und prahlte, er habe am Donezker Flughafen 15 ukrainische Gefangene getötet. Am Dienstag bekannten sich per Youtube-Video vermummte Männer, die vor einer Fahne der ukrainischen rechtsextremen „Misanthropic Division“ posierten, mit Hitler-Gruß der „Liquidierung des allseits bekannten Terroristen Motorola“. In Donezk aber wird auch spekuliert, ob nicht der russische Geheimdienst hinter Motorolas Tod steckt, zuvor blieben auch die Morde an drei eigenwilligen Feldkommandeuren in der Lugansker Rebellenrepublik unaufgeklärt. „Der punktgenau explodierende Sprengsatz im Liftschacht war entweder das Werk hochprofessioneller Spezialisten aus Russland oder aus der Ukraine“, sagte ein Donezker Publizist unserer Zeitung.

Igor Plotnizki, das Haupt der Lugansker Rebellen, aber erklärte, der Mord stehe auch in Verbindung mit einem Putschversuch gegen ihn: „Kiew versucht, den Donbass mit Terrormethoden einzuschüchtern.“

Die Lage im Krisengebiet ist gespannt. Schon mehrere Wochen melden beide Seiten feindlichen Beschuss, bei Schirokino am Asowschen Meer wird seit Tagen heftig gekämpft, das Artilleriefeuer ist im 20 Kilometer entfernten Stadtzentrum von Mariupol zu hören. Ein ukrainischer Militärsprecher berichtete am Dienstag von vier Verletzten aufseiten der Regierungstruppen. Die Rebellen ihrerseits warfen den Ukrainern vor, sie hätten das Dorf Leninskoje attackiert und an der gesamten Front 400-mal das Feuer eröffnet. Bei der Stadt Solotoje im Gebiet Lugansk gerieten am Sonntag OSZE-Beobachter und ukrainische Offiziere unter MG-Beschuss. Solotoje gehört zu den drei Modellzonen, in denen die OSZE seit August versucht, eine Truppenentflechtung durchzusetzen. „Kein besonders erfolgreicher Versuch“, kommentierte die russische Internetzeitung gazeta.ru die Ereignisse.

„Auch in Berlin sind kaum Fortschritte zu erwarten, beide Seiten bewegen sich nicht“, sagt der Kiewer Politologe Wadim Karassjew. Tatsächlich herrscht in Kiew und Moskau seltene Eintracht über die verfahrene Situation im Krisengebiet. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte vergangenen Sonnabend erklärt, die Ukraine werden keinerlei politische Zugeständnisse im Rahmen des Minsker Friedensprozesses machen, bevor nicht die Sicherheitsprobleme im Donbass gelöst seien. „Was die Sicherheit angeht, lässt die Lage an der Waffenstillstandslinie wirklich zu wünschen übrig“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag. Auch der Tod „Motorolas“ werde die Verwirklichung der Minsker Vereinbarungen kaum voranbringen.