Lichtenberg. Polizei findet in der Nähe des getöteten Mädchens DNA des mutmaßlichen Rechtsterroristen Böhnhardt

Im Fall der getöteten Peggy aus dem oberfränkischen Lichtenberg deutet sich eine spektakuläre Wende an: Am Fundort der Leiche des vor mehr als 15 Jahren verschwundenen und getöteten Mädchens sind DNA-Spuren des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt gefunden worden. Das teilten das Polizeipräsidium Oberfranken und die Staatsanwaltschaft Bayreuth am Donnerstagabend mit. Damit führt die Spur zu dem rechtsradikalen Trio der mutmaßlichen Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) – Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Die „Bild“-Zeitung hatte als erste über diese Wende berichtet.

Peggys Überreste wurden erst nach 15 Jahren gefunden

„In welchem Zusammenhang diese DNA-Spur gesetzt wurde, wo sie entstanden ist und ob sie in Verbindung mit dem Tod von Peggy K. steht, bedarf weiterer umfassender Ermittlungen in alle Richtungen, die derzeit geführt werden und ganz am Anfang stehen“, teilte die Polizei Oberfranken mit. Aus ermittlungstaktischen Gründen könnten weitere Informationen nicht bekannt gegeben werden, hieß es. Der Bayerische Rundfunk berichtete jedoch, dass die Gen-Spur auf einem Stück Stoff von der Größe eines Fingernagels gefunden wurde. Der Stoff lag offenbar in der Nähe von Peggys Knochen, aber nicht direkt an der Leiche.

Neben dem Generalbundesanwalt seien auch das Bundeskriminalamt, das bayerische Landeskriminalamt und die thüringische Polizei über die neuen Erkenntnisse unterrichtet worden und seien in die Ermittlungen eingebunden.

Peggys Tod ist einer der größten ungelösten Kriminalfälle Deutschlands. Die neunjährige Schülerin aus dem oberfränkischen Lichtenberg war am
7. Mai 2001 nicht von der Schule nach Hause gekommen. Wochenlange Suchaktionen blieben erfolglos, obwohl Tausende Hinweise bei der Polizei eingegangen waren.

Nach drei Monaten nahm die Polizei einen geistig behinderten Mann fest. Er gab damals an, sich an Peggy und drei weiteren Kindern sexuell vergangen zu haben. Vor dem Landgericht Hof begann im Oktober 2003 der Prozess, Ende April 2004 wurde der geistig behinderte Mann wegen Mordes an Peggy zu lebenslanger Haft verurteilt. Rund zehn Jahre später wurde der Mann freigesprochen. Ein wichtiger Zeuge hatte seine Aussage widerrufen und die Ermittlungsbehörden schwer belastet.

Erst Anfang Juli 2016 – mehr als 15 Jahre später – fand ein Pilzsammler in einem Wald im Grenzgebiet zwischen Thüringen und Bayern Knochen des Mädchens. Polizei und Staatsanwaltschaft teilten mit, dass die Knochen „höchstwahrscheinlich“ von Peggy stammen. Das Skelett war damals nicht vollständig gefunden worden. Daraufhin suchten Hundertschaften der Polizei das Waldgebiet sowie Straßen zwischen Peggys Heimatort und dem Fundort im 15 Kilometer entfernten Saale-Orla-Kreis nach Spuren ab.

Nie war bisher eine Verbindung zu der Mordserie der NSU-Terrorgruppe gezogen worden. Die Neonazis waren 1998 abgetaucht und lebten bis November 2011 im Untergrund – Uwe Böhnhardt nahm sich mit seinem Komplizen Uwe Mundlos im November 2011 das Leben. Beate Zschäpe stellte sich der Polizei. In München läuft seit mehr als drei Jahren der Prozess gegen die einzige Überlebende des Trios. Erst am
313. Verhandlungstag, Ende September dieses Jahres, äußerte sie sich erstmals und bedauerte ihr „Fehlverhalten“.

Kinderschuh und Spielzeug in einem Wohnmobil

In dem Camper, in dem das Trio auf der Flucht war, fanden die Ermittler damals auch Kinderspielzeug: einen Teddy, eine Wasserpistole, eine Plastikpuppe, ein „Winnie the Pooh“-Buch und einen Schuh in der Kindergröße 33. Die Herkunft der Gegenstände konnte von der Polizei bis heute nicht geklärt werden. Während der Ermittlungen gegen den NSU geriet laut „Bild“ auch ein Mann ins Visier, der 2014 unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Förderung von Prostitution in 66 Fällen zu fünfeinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Er soll früher ein Freund Böhnhardts gewesen sein.

Mehrere Mitglieder des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses reagierten entsetzt auf die Nachricht vom Fund der DNA-Spuren. Die Linke-Obfrau des Ausschusses, Katharina König, forderte, nun müsse es einen Abgleich der DNA von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe mit allen ungeklärten Fällen geben, bei denen Kinder und Menschen mit Migrationshintergrund zu Tode gekommen seien. Zudem sei aus ihrer Sicht völlig offen, ob der Münchner NSU-Prozess gegen Zschäpe so weitergehen könne wie bisher. Sie sagte, nach ihrem Kenntnisstand sei die Herkunft der Kindersachen aus dem Wohnmobil bis heute ungeklärt. Diese müssten nun unbedingt auch in den Fokus der Ermittlungen im Fall Peggy rücken.