Moskau.

Fast jeden Tag entdeckt Russland neue Bedrohungen durch die USA. Auch gestern wieder. Kremlsprecher Dmitri Peskow und der Generalstab beklagten, der Antiraketenschild, den Amerika in Osteuropa aufbaue, gefährde Russlands Nachrichtensatelliten, sein Atompotenzial und die nationale Sicherheit. Immer wieder droht das Verteidigungsministerium, die Schlacht um die syrische Metropole Aleppo könne zu einem militärischen Konflikt zwischen den beiden Supermächten eskalieren. Russland stellt Iskander-Mittelstreckenraketen in Kalingrad auf. Armee- und Staatsführung denken laut über die Wiedereröffnung der 2002 geschlossenen Militärstützpunkte in Vietnam und auf Kuba nach. Der Kalte Krieg, seine Rhetorik und alte Reaktionsmuster scheinen nach Russland zurückgekehrt zu sein.

Syrien-Intervention kostete knapp eine Milliarde Dollar

Doch Russlands Militärstrategen haben ein Problem: Die Kriegskasse ist ziemlich leer. Nach Angaben des Wirtschaftsportals RBK betrug das Haushaltsdefizit 2015 bis zum August bereits 6,1 Prozent. Das ist mehr als doppelt so viel, wie die Regierung eingeplant hatte. Russland muss sparen. Und eigentlich, so die Zeitung „Kommersant“, will das Finanzministerium die Militärausgaben in den kommenden drei Jahren im Schnitt um sechs Prozent kürzen. Mit dem frei werdenden Geld wollen 31 nationale Projekte bezahlt werden. Zum Beispiel der Bau von sieben neuen Stadien für die Fußball-WM 2018. Aber auch Hochwasserschutzdämme in Nordrussland und die Renovierung des größten russischen Kinderferienheims Artek auf der Krim binden Mittel.

Glaubt man russischen Fachleuten, so ist die russische Armee imstande, Kriege auch billig zu gewinnen. Laut RBK hat Russland in einem Jahr gut 940 Millionen Dollar in seine Syrien-Intervention gesteckt. Zum Vergleich: Der Kampf der westlichen Koalition gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) im Irak schluckte in zwei Jahren neun Milliarden Dollar. „Das russische Geschwader in Syrien ist klein. Und Flugbenzin oder Raketen kosten kaum mehr als bei entsprechenden Manövern zu Hause, die man sich jetzt sparen kann“, sagt der Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin dieser Zeitung. Außerdem stehe mit der Eroberung von Aleppo die entscheidende Kriegswende bevor, danach werde es dort deutlich billiger, so die Hoffnung.

Aber bisher ist es den Russen keineswegs gelungen, die terroristischen Verbände des Al-Qaida-Ablegers al-Nusra oder des IS zu zerschlagen. Zudem gibt es auch in Syrien geheime Kostenfaktoren wie etwa die Söldnereinheit „Wagner“, laut RBK etwa 2500 Mann. Sie soll schon im Donbass die Separatistenverbände unterstützt haben. Was das Verteidigungsministerium offiziell ebenso dementiert wie die Söldnereinsätze in Syrien. Zeugenaussagen und Fotos in sozialen Netzen bestätigen jedoch diese Operationen. Nach einer RBK-Schätzung belaufen sich die Kosten bislang auf 90 bis 180 Millionen Dollar. Aus welcher Schatulle das Geld kommt, ist unklar.

Und Russland führt nicht nur in Syrien Krieg. Es unterstützt seit April 2014 die Separatisten im Donbass, militärisch, aber auch wirtschaftlich. Auch dort führt man einen Billigkrieg. Ukrainische wie russische Beobachter sind sich einig, dass die Panzer und Geschütze, die bisher aufseiten der Rebellen zum Einsatz gekommen sind, zum großen Teil aus Altlagerbeständen der russischen Armee stammen. Allein die jährlichen Sozialausgaben für die Rebellenrepubliken Donezk und Lugansk schätzt die Zeitung „Moskowski Komsomoljez“ aber auf zehn Milliarden Dollar.

Russland kann sich all dies eigentlich gar nicht leisten. Das für 2016 zu erwartende Bruttoinlandsprodukt stürzte gegenüber 2013 fast um die Hälfte ab und liegt mit 1,13 Billionen Dollar unter dem des EU-Sorgenkindes Spanien. Angesichts des niedrigen Ölpreises hat die russische Regierung riesige Haushaltslöcher zu verkraften.

Es könnte sein, dass Russlands Kalter Krieg kleiner ausfällt als angekündigt. Oder dass der Kreml seiner Armee doch mehr Geld zuschiebt, als der offizielle Haushalt aufweisen wird, wie der Moskauer Finanzexperte Dmitri Lukaschow vermutet. „Es wäre seltsam, wenn die Verteidigungsausgaben gekürzt würden, während nahe der Grenze ein militärischer Konflikt anschwillt.“