Berlin.

Der festgenommene Dschaber al-Bakr wollte ein Blutbad anrichten, darin ist sich der Verfassungsschutz sicher. In seiner Chemnitzer Wohnung baute der Syrer längst an der Bombe, sein Ziel war ein Anschlag auf einen Berliner Flughafen. Es sind alarmierende Erkenntnisse, die die Sicherheitsbehörden über die Terrorplanung gewonnen haben. Nach den Anschlägen auf die Flughäfen von Brüssel im März und Istanbul im Juni dieses Jahres mit Dutzenden Toten und Hunderten Verletzten sollte es einen deutschen Airport treffen. Und damit nicht nur ein hochsensibles Ziel der Verkehrsinfrastruktur, sondern auch viele, viele Menschen.

Allein im vergangenen Jahr wurden 216 Millionen Passagiere gezählt, die von deutschen Flughäfen starteten oder hier landeten. Deren Sicherheit zu gewährleisten, liegt in den Händen der Bundespolizei und der jeweiligen Flughafenbetreiber. „Die Sicherheitslage ist nach wie vor angespannt“, erklärt nun der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands (ADV), Ralph Beisel.

Aber verändert der Anschlagsplan des Syrers die Lage an den Flughäfen? Beisel ist vorerst zufrieden: „Die rechtzeitige Festnahme zeigt, dass die Sicherheitssysteme in Deutschland funktionieren.“ Auch sei angemessen auf die potenzielle Bedrohung reagiert worden.

Wie der sicherste Airport der Welt die Passagiere schützt

Im Innenministerium wird dennoch über mehr Sicherheit nachgedacht. Der parlamentarische Innenstaatssekretär Ole Schröder (CDU) erklärt: „Flughäfen stehen nach wie vor im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus.“ Zwar führt er auf, dass in den letzten Jahren umfangreiche Maßnahmen ergriffen worden seien, um gerade den Luftverkehr und die Flughäfen vor Anschlägen zu schützen. So ließen sich mit dem Einsatz von Sicherheitsscannern etwa Sprengstoffe „besser detektieren“, sagt Schröder. Doch er fordert mehr: „Wir müssen uns auch technologisch noch weiterentwickeln.“ Der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware an Videokameras in Flughäfen oder auch Bahnhöfen bringe einen deutlichen Gewinn für die Sicherheit ohne Einschränkung der persönlichen Freiheit des Einzelnen, ist er überzeugt.

Gerade zuletzt wurden die Sicherheitsmaßnahmen für Fluggäste deutlich „intensiviert“, wie es Flughäfen-Vertreter Beisel ausdrückt. Neben erhöhten Kon­trollen der Passagiere und des Handgepäcks hätten die Bundespolizei und die zuständigen Behörden auch die Polizeistreifen im sogenannten öffentlichen Bereich erhöht, erklärt er. Heißt: Je nach Einschätzung der Sicherheitslage durch die Behörden erfolgt eine Anpassung der Sicherheitskräfte in und vor den Terminals. Die Flughäfen selbst unterstützen die Bundespolizei hierbei mit eigenem Sicherheitspersonal.

Die Erfahrungen von Brüssel und Istanbul zeigen, dass weit vor den Gepäckkontrollen Sicherheitsmaßnahmen greifen müssen. Hier hilft nur genaues Hinsehen: „Die Einsatzkräfte der Polizei können durch eine genaue Beobachtung der Passanten und Reisenden eventuelle Verhaltensauffälligkeiten erkennen, potenzielle Täter identifizieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen“, sagte Beisel. „Zusätzlich kann dabei eine elektronisch gestützte Beobachtung unterstützen.“ Noch weiter vorgelagerte Kontrollen, etwa an den Zufahrtsstraßen der Airports, lehnt der Flughafenverbandsvertreter ab. Die Folge seien neue sicherheitskritische Zonen. Das Gefahrenpotenzial würde sich lediglich verlagern.

Genau dieses Konzept verfolgt allerdings der Flughafen von Tel Aviv, Ben Gurion – und er gilt als der sicherste der Welt. Dass hier ein Terrorist mit einer Sprengstoffweste auch nur in das Terminal gelangt, ist fast undenkbar. Denn der äußerste Sicherheitsring liegt bei Israels einzigem größerem internationalem Airport (16 Millionen Fluggäste jährlich) gut drei Kilometer vor dem Gebäude. Schon auf der Zufahrtsstraße werden jedes Fahrzeug und jeder Passagier kurz gestoppt und gecheckt – die erste von zwölf Überprüfungen bis zum Gate. Außerdem haben Undercover-Mitarbeiter und Sicherheitskameras die Passagiere ständig im Blick.

Der wichtigste Teil des sogenannten risikobasierten Ansatzes am Ben-Gurion-Airport ist das Racial Profiling: Fluggäste in einem bestimmten Alter und mit einer bestimmten – meist muslimischen – Herkunft werden besonders intensiv befragt. Auch bei anderen Passagieren wird darauf geachtet, in welche Länder sie vorher gereist sind. Menschenrechtsaktivisten kritisieren die Praxis, aber der Oberste Gerichtshof hat eine Klage dagegen zuletzt abgewiesen.

Von derlei Maßnahmen ist der Flughafen Atatürk in Istanbul nach dem verheerenden Anschlag am 28. Juni mit 47 Todesopfern noch weit entfernt. Dort herrschte schnell wieder Normalität. An dem Sicherheitskonzept hat sich aus Sicht der Passagiere nichts geändert: Wie bereits vor dem Anschlag müssen die Fluggäste in Istanbul – wie auf allen türkischen Flughäfen – zwei Sicherheitskontrollen passieren, eine bereits am Eingang des Terminals, wo das gesamte Gepäck durchleuchtet wird, und eine zweite Kontrolle nach dem Einchecken auf dem Weg zur Abflughalle. Die Kontrollen gelten als strikt. Das System konnte aber den Anschlag nicht verhindern: Die Attentäter begannen bereits an der ersten Kontrolle um sich zu schießen, konnten diese so überwinden und in den Check-in-Bereich vordringen. Insider berichten, dass die Polizei seitdem verstärkt Zivilfahnder vor dem Terminal einsetzt, um mögliche Attentäter zu erkennen und zu stoppen.

Wer von Frankreichs Großflughäfen abreisen will, muss vor allem Zeit und Geduld mitbringen. Beides nämlich braucht man, um vor dem Abflug die strengen Gepäck- und Passagierkontrollen zu durchlaufen, vor denen sich ellenlange Warteschlangen bilden. 70 Minuten sollten für dieses Prozedere mindestens einplant werden. Erhöht wurden die Sicherheitsmaßnahmen auf Frankreichs Airports in jüngster Zeit übrigens kaum. Schon seit 9/11 betrachtet sich das Land als Vorzugsziel für Terroranschläge und schirmt seinen Flugverkehr entsprechend drastisch ab. Allein die Pa­trouillen schwer bewaffneter Soldaten in den Abflug- und Ankunftshallen sind seit dem 13. November 2015 hinzugekommen – eine Folge des nach den Pariser Anschlägen verhängten Ausnahmezustands.

Auch Moskau hat seit dem Bombenanschlag im Flughafen Domodedowo 2011, dem 37 Menschen zum Opfer fielen, reagiert. Seitdem werden schon an den Eingängen der russischen Flughäfen die Reisenden und ihr Gepäck überprüft. Bei den Sicherheitskontrollen für die Fluggäste kommen Ganzkörperscanner zum Einsatz, übrigens ohne die Debatte über deren Eingriff in die Intimsphäre, die hierzulande geführt wurde. Im Alltag haben sich die Kontrollen inzwischen wieder etwas gelockert, so bestehen die Sicherheitsbeamten nicht mehr darauf, dass man sich die Schuhe auszieht.

In den USA gilt die Hoffnung in der Sicherheitsbranche an den rund 450 Verkehrsflughäfen dem Kürzel QS-B220. Dahinter verbirgt sich ein Scanner, der laut Hersteller „militärischen, kommerziellen und selbst gebastelten Sprengstoff“ identifizieren kann. Die Flugsicherheitsbehörde TSA hat 1350 Geräte geordert. Das Sicherheitsgefühl der täglich zwei Millionen durchleuchteten Flugpassagiere wird das aber nur bedingt verbessern. Die TSA ist mit über 50.000 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von acht Milliarden Dollar ein Riese mit Schwächen. Ermittler des Heimatschutzministeriums deckten zuletzt auf, dass es „kinderleicht“ war, Sprengstoff, Waffen und Bomben durch die jeweils 1,3 Millionen Dollar teuren Scanner-Schleusen zu transportieren. Mensch und Maschine versagten zu häufig. Um Wartezeiten zu verkürzen, will die TSA in Phoenix demnächst in einem Modellversuch die Kontrollen des Handgepäcks von Computern erledigen lassen.