Berlin.

Die Suche läuft. Aber sie ist zäh. Mehr als der kleinste gemeinsame Nenner ist nicht drin, wenn die Parteichefs der großen Koalition einen Bundespräsidenten suchen. Der gemeinsame Kandidat, den sich Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel vorgenommen haben, steht weniger als ein halbes Jahr vor der Wahl in den Sternen. Viel Zeit wird derjenige nicht haben, um sich den Bürgern vorzustellen.

Die Troika will zusammenhalten. „Die Absicht besteht“, erklärt CSU-Chef Seehofer, nicht ohne süffisant hinzuzufügen: „Zwischen Absicht und Verständigung liegen in der Politik bekanntlich steinige Wege.“ SPD-Chef Gabriel hält längst abseits der Trampelpfade Ausschau. Nach Informationen dieser Redaktion hat er bei der evangelischen Theologin Margot Käßmann vorgefühlt und sich vorerst keinen Korb geholt: Sie wollen noch einmal miteinander reden.

Keine Kampfabstimmung Lammert versus Steinmeier

Für die Union wäre Käßmann kaum wählbar, zu links. Sie wird als Stimme der sozial Schwachen in Deutschland wahrgenommen. Zudem kritisierte sie den Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Auch würde der eine oder andere daran Anstoß nehmen, dass sie im Februar 2010 von der Polizei mit 1,54 Promille Alkohol im Blut am Steuer ihres Dienstwagens erwischt wurde. Sie trat als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Landesbischöfin von Hannover zurück, heute ist sie Botschafterin der EKD für das Reformationsjubiläum 2017. Bei der Bundespräsidentenwahl am 12. Februar 2017 wären seit der Alkohol-Fahrt schon sieben Jahre vergangen. Für Grüne und Linke dürfte sie eine Option sein, für Käßmann wäre es die zweite Chance. Bei Linke-Chef Bernd Riexinger hat Gabriel vorgefühlt.

In der Bundesversammlung mit 1260 Wahlmännern führt Gabriel nicht mal die stärkste Gruppe an. Die Union hat 542 Stimmen, fast 160 mehr als die SPD. Aber Gabriels Spielraum ist größer, als die Zahlen vermuten lassen. Er könnte sich sowohl mit der Union als auch mit Grünen und Linken einigen.

Bei der Kür von Horst Köhler, Christian Wulff und Joachim Gauck sah Merkel unglücklich aus. Diesmal möchte sie, wie die „Süddeutsche Zeitung“ höhnt, eine „Vollkasko-Lösung“: kein Wetterleuchten für künftige Koalitionen, keine Kampfabstimmung zwischen Bewerbern von Union und SPD. Für eine risikolose Regelung der Gauck-Nachfolge will sie Gabriel entgegenkommen, aber nicht so weit gehen und den unerklärten Kandidaten der SPD mittragen: Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Es ist nichts Persönliches. Steinmeier ist zu sehr Parteipolitiker und der Union schwer vermittelbar. Umgekehrt gilt das auch für Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), den Favoriten der Union. Es sieht so aus, als würden sie sich blockieren, obwohl sie eigentlich erste Wahl sind: Beide können repräsentieren, haben ein hohes Ansehen.

Risikoangst und Selbstblockade führen dazu, dass außerhalb der Berliner Politik Ausschau gehalten wird. Gabriel klopfte laut „Spiegel“ beim Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, an, er stieß nicht auf offene Türen. Bei Voßkuhle hatte Merkel schon vor fünf Jahren vergeblich angefragt.

Die Zeit drängt, CDU und CSU streben eine Klärung im Oktober an. Seehofer hat den schwächsten Part. Das erklärt, warum er die Karten nicht so eng an der Brust spielt wie Gabriel und Merkel. Seehofer hat die Führung der CSU ausdrücklich zu Vorschlägen animiert.

Abseits des Parlaments locken reizvolle Besetzungen: die frühere Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, die Berliner Wissenschaftlerin Jutta Allmendinger, die frühere Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt, erste Frau im Vorstand von Daimler, nun bei VW, eine Kandidatin aus der Wirtschaft. Und eine Sozialdemokratin ist sie auch.

Wie Merkel will sich auch Seehofer mit Gabriel einigen. Anders als die Kanzlerin hätte er nichts gegen eine Kampfabstimmung. Im dritten Wahlgang ist keine absolute Mehrheit erforderlich. Das Problem sei, heißt es in München, dass Lammert kein Zählkandidat sein wolle. Für ihn und wohl auch für Steinmeier gilt: Sie wollen eine garantierte Mehrheit.

Es gibt eine dritte Variante, die CSU wie SPD gleichermaßen stört: eine Einigung Merkels mit den Grünen. Die verfügen über 145 Wahlmänner, aber sind das Zünglein an der Waage. Sie könnten der Union zu einer Mehrheit verhelfen, genauso einem linken Bewerber.

Dass Merkel neulich mit Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann zu Abend aß, hat für Irritationen gesorgt. Er wäre ein Vorbote für Schwarz-Grün – im September 2017 steht die Bundestagswahl an. Aus den Reihen der Grünen sind noch andere Kandidaten denkbar: Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt oder – längst im politischen Abklingbecken – Marianne Birthler, die Gauck schon als Chefin der Stasi-Aufklärungsbehörde gefolgt war und sich in der „Welt“ im Sommer anerkennend über die Kanzlerin äußerte.

Die vielen „Baustellen“ von CSU-Chef Horst Seehofer

Weil die Union die größte Gruppe stellt, wird Merkel vorangehen und den ersten Namen „testen“ müssen, zuerst bei Seehofer. Am Montag schwor er seinen Vorstand auf entscheidende Wochen ein, sprach von vier Baustellen: Länderfinanzausgleich, Rentenreform, Flüchtlingspolitik, Gauck-Nachfolge. Für diese Woche blockierte der CSU-Chef im Terminkalender gleich zwei Tage in Berlin, Open End. Im Kanzleramt. Der richtige Ort und genug Zeit, um mal Merkel beiseitezunehmen. Wir müssen reden.