Berlin.

Wer erfahren möchte, was der Bundesnachrichtendienst eigentlich so macht, wird beim Internetauftritt der vornehmlich im Geheimen arbeitenden Behörde fündig: Da ist zu lesen, dass der BND als „außen- und sicherheitspolitischer Dienstleister für die Bundesregierung“ arbeitet und „spezifische, zuverlässige und genaue Erkenntnisse“ aus der ganzen Welt bereitstellt. Auch ist hier zu erfahren, dass der Bundesnachrichtendienst sich als eine Art „Frühwarnsystem“ versteht, „das Gefährdungen deutscher Interessen aus dem Ausland schon im Entstehen erkennt und im Hinblick auf ihre konkrete Relevanz für Sicherheit, Freiheit und Wohlstand unseres Landes einzuordnen versteht“.

Es ist die klassische Beschreibung eines Auslandsgeheimdienstes. Doch der BND betätigt sich auch im Inland. Und das viel aktiver, als es die Selbstbeschreibung im Internet erahnen lässt: Der BND übernimmt Kurierdienste für mehrere Bundesbehörden und Ministerin, sowohl auf deutschem Boden als auch im Ausland. Das bestätigte der Dienst dieser Zeitung. Sicherheitspolitiker der Opposition zweifeln an der Legitimität dieser Tätigkeit des BND und verlangen Aufklärung.

Kunden des BND-Kurierdienstes sind nach Informationen dieser Zeitung unter anderem das Auswärtige Amt, das Bundesverteidigungsministerium, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und der Bundesrechnungshof.

Der BND begründete diese Tätigkeit damit, dass der Geheimdienst ohnehin sicherheitsüberprüfte Kuriere für den regelmäßigen Transport eigener Verschlusssachen beschäftige. „In diesem Zusammenhang werden insbesondere aus Effizienzgründen auch Kuriertätigkeiten für andere Bundesbehörden übernommen. Diese betreffen vor allem Verschlusssachen dieser Behörden“, erklärte der Dienst. Vornehmlich transportiert der BND demnach als vertraulich gekennzeichnete Akten zwischen den Behörden.

Der Dienst bestätigte beispielsweise eine Kurierfahrt in der vergangenen Woche im Auftrag des Bundesrechnungshofs: Hier sei „verschlossenes Kuriergut“ vom Bonner Sitz des Rechnungshofs nach Berlin transportiert worden – allerdings mit einem Umweg über das bayerische Pullach, wo der Geheimdienst seinen Hauptsitz hat. „Der Versandweg erfolgte wie allgemein üblich über die BND-Zentrale“, teilte der Auslandsdienst mit.

Allein diese Kurierfahrt dauerte zwei Tage, bis sie ihr Ziel, den Bundestag, erreichte. Wie viele BND-Mitarbeiter als Kuriere tätig sind und wie häufig ihre Dienste von Ministerien und Behörden in Anspruch genommen werden, wollte der BND nicht erklären.

Im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags (PKGr), das die Arbeit der deutschen Geheimdienste überwacht, stößt das Kurierwesen des BND auf Erstaunen. Der PKGr-Vorsitzende Clemens Binninger (CDU) kündigte an, sich von der Bundesregierung in der nächsten Sitzung des Kon­trollgremiums berichten zu lassen, „was die Gründe für diese Vorgehensweise sind“.

Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende und Geheimdienst­experte Konstantin von Notz sieht einen klaren Rechtsbruch: „Für die Kurierdienste des BND im Inland gibt es keine rechtliche Grundlage. Das ist hochproblematisch“, sagte von Notz. Die Trennung zwischen BND als Auslandsgeheimdienst und dem Bundesamt für Verfassungsschutz als Inlandsgeheimdienst verwische immer mehr, kritisierte von Notz, der auch Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss ist.

Der stellvertretende PKGr-Vorsitzende André Hahn (Die Linke) sagte: „Der BND ist ein Auslandsgeheimdienst und darf im Inland normalerweise nicht tätig werden.“ Diese Kurierfahrten seien daher höchst fragwürdig, „erst recht, weil der BND dadurch zumindest theoretisch Zugriff auf geheime Unterlagen anderer Bundesbehörden erlangen könnte“. Hahn erklärt auch, dass es für ihn „keinen nachvollziehbaren Grund“ gebe, den BND mit solchen Dienstleistungen zu betrauen.

Das sieht der PKGr-Vorsitzende Binninger auch so: Für ihn sei zwar nachvollziehbar, dass sich Bundesbehörden beim Versand von Geheimmaterial unterstützen und hierbei auch eigenes Personal einsetzen. „Warum gerade der BND hier als Dienstleister für die anderen Behörden agiert, erschließt sich allerdings nicht sofort“, erklärte der CDU-Politiker.

Nach Informationen dieser Zeitung nahmen in der Vergangenheit die Kurierfahrten des BND zwischen den Behörden teilweise mehrere Tage, teilweise sogar einige Wochen in Anspruch – auch wegen des Umwegs über Pullach. Darüber verlangen die Parlamentarier ebenfalls Aufklärung. PKGr-Vize Hahn sagte: „Sollte es zutreffen, dass manche Kurierfahrten zwischen verschiedenen Behörden auffallend lange und teilweise mehrere Tage dauern, muss die Bundesregierung die Gründe dafür offenlegen und auch erklären, warum der BND hier überhaupt auf deutschem Boden aktiv ist.“ Auch von Notz will hierzu mehr wissen: „Was genau passiert mit den hochsensiblen Informationen, wenn der BND sie in die Hände bekommt?“