Berlin. Nach der Niederlagenserie bei Landtagswahlen ist die CDU geschafft. Die Kanzlerin will nur noch eines: Dass die CSU Ruhe gibt. „Wir schaffen das“ gilt nicht mehr

Vielleicht wäre Kritik laut geworden, vielleicht auch nicht. Man wird es nie erfahren, weil Angela Merkel am Montag selbst Fehler einräumt, erst im CDU-Vorstand, danach öffentlich.

Die Kanzlerin versichert, dass sich eine Situation wie 2015 – die Flüchtlingskrise – nicht wiederholen dürfe, ebenso ihr Satz „Wir schaffen das“. Wenn eine Ursache für die Wahlenttäuschungen – zuletzt am Sonntag in Berlin – darin liege, dass ihre Flüchtlingspolitik nicht ausreichend erklärt worden sei, ,,so möchte ich mich jetzt gern darum bemühen“. Es ist kein Kurswechsel, sie steht zu den Entscheidungen vom Herbst 2015, wohl aber gibt sich Merkel selbstkritisch, beinahe zerknirscht. Die CDU und ihre Vorsitzende sind geschafft.

Für Frank Henkel kommt es zu spät. Rückenwind hat der Berliner Spitzenkandidat nicht erfahren. Er gehört zu denen, die im Vorstand die CSU kritisieren. Sie habe den Streit angefangen, der „alles andere als hilfreich“ gewesen sei. Henkel will den Landesvorsitz abgeben. Der 52-Jährige werde bei der nächsten turnusmäßigen Wahl des Landesvorstands im kommenden Jahr nicht mehr antreten, teilte die Partei mit.

Von personellen Konsequenzen, gar einer Kabinettsumbildung im Bund will Merkel nichts wissen. Ebenso wenig verrät die Kanzlerin, ob sie 2017 antreten will. Der geeignete Zeitpunkt sei nicht gekommen, „das ist einfach so“, sagt sie nur. Zwei Hinweise lassen vermuten, dass sie es noch mal wissen will. Erstens die selbstkritischen Töne mit Blick auf ihre Flüchtlingspolitik, zweitens der Termin für eine Vorstandsklausur im November, um über das Wahlprogramm zu diskutieren. Würde jemand, der amtsmüde ist, über seinen Schatten springen und seine Wahlkampfplanung forcieren?

Auf die Reaktionen kommt es jetzt an. Wie legt die Öffentlichkeit Merkels Auftritt aus? Welches Echo kommt aus Kloster Banz, wo die CSU-Landtagsfraktion in Klausur gegangen ist? Werden die Abgeordneten in Berlin so respektvoll schweigen wie der Vorstand? Verraucht die „Merkel muss weg“-Stimmung?

Die Analyse der 17,6 Prozent in Berlin ist rasch abgehakt. Dann bittet Merkel die Zuhörer um Verständnis dafür, „Sie etwas ausführlicher als sonst an meinen Gedanken teilhaben zu lassen“. Zwölf Minuten lang redet sie vor den Journalisten, für ihre Verhältnisse fast eine Regierungserklärung. Sie habe mit ihrem „Wir schaffen das“ nicht provozieren wollen, „so war er natürlich nie gemeint“. Sie wisse, dass man einiges zu schultern habe. Auch habe sich Deutschland zu lange auf das Dublin-Verfahren verlassen; darauf, dass die Staaten an der EU-Außengrenze die Flüchtlinge auffangen. „Das war ein Fehler.“ Und: „Wenn ich könnte, würde ich die Zeit um viele, viele Jahre zurückspulen.“

Ihre Kritiker notieren sich jeden Satz; sie könnten dahinter jedes Mal ein Häkchen machen. „Niemand, auch ich nicht, will, dass sich wiederholt, was letztes Jahr war.“ Oder: Jeder wisse, dass aus Afrika keine Flüchtlinge kämen, sondern Menschen, die sich aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg machten. „Und das wollen wir eben nicht.“

Solche Sätze wird sie häufiger wiederholen müssen. „Das muss der letzte Ortsverband verstehen“, sagt der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier. Versteht es auch die CSU? Sie will unverdrossen eine Obergrenze. CDU-Vorstand Franz Josef Jung regt an, nach Alternativbegriffen zu suchen, „Richtgröße vielleicht“. Merkel ist gegen eine „statische Obergrenze“. Das heißt wohl, dass sie eine Begrenzung befürwortet. Irgendwo zwischen den Zeilen liegt die Kompromissformel. Die CDU sehnt sich danach, dass die CSU Ruhe gibt.