Berlin.

Vor einiger Zeit, so geht jedenfalls eine Erzählung, soll sich Wolfgang Schäuble danach erkundigt haben, was „der Heinz“ denn für Pläne habe. Gemeint war Heinz Riesenhuber (CDU), der älteste Abgeordnete des Bundestags und von 1982 bis 1993 Bundesforschungsminister unter Helmut Kohl. Schäuble interessierte sich dafür, ob Riesenhuber mit seinen 80 Jahren noch einmal für das Parlament kandidieren würde.

Seit gut zwei Wochen ist klar: Riesenhuber tritt nicht wieder an, und wenn die Pläne des Parteifreunds für Schäuble wirklich ein Maßstab wären, dann hätte der Bundesfinanzminister sich auch zurückziehen müssen. Doch Schäuble, der am kommenden Sonntag 74 Jahre alt wird, will es noch einmal wissen: Sein CDU-Kreisverband im südwestlichen Baden-Württemberg teilte gestern mit, Schäuble wolle sich noch ein weiteres Mal für das Direktmandat im Wahlkreis Offenburg bewerben.

Dass Schäuble auch gewählt wird – zunächst von seiner Partei als Kandidat und dann von den Wählern –, ist ziemlich sicher. In den vergangenen Jahren gewann er den Wahlkreis stets direkt. Die nächste Wahlperiode wäre Schäubles dreizehnte. So lange wie er saß noch kein Abgeordneter der Bundesrepublik im Parlament. Das erste Mal wurde der Badener 1972 in den Bundestag gewählt, damals war Willy Brandt Kanzler.

Wer Schäuble in den vergangenen Wochen erlebt hat, bekam nicht den Eindruck, als ob er amts- oder gar politikmüde wäre.
Im Gegenteil: Schäuble, der seit einem Attentat 1990 im Rollstuhl sitzt und vor sechs Jahren gesundheitlich schwer angeschlagen war, präsentiert sich inzwischen als eine Art Nebenkanzler; er prägt die Politik der aktuellen Bundesregierung wie keiner seiner Kollegen. Zeitweise war er selbst als Reservekanzler im Gespräch, doch Schäuble stand loyal zu Kanzlerin Angela Merkel.

Seine politische Erfahrung ist beispiellos: Er war nicht nur Architekt der deutschen Einheit, sondern auch Fraktions- und Parteichef und Innenminister. Als Finanzminister schaffte er einen weiteren Rekord und legte den ersten schuldenfreien Haushalt seit 1969 vor. Bundespräsident konnte er nicht werden, das verhinderte ausgerechnet Merkel. Schäuble liest viel und besucht oft die Philharmonie, aber die Politik ist sein Leben, von ihr kann er nicht lassen. Mindestens vier weitere Jahre will er sich nun noch geben. Und auch dann wäre er noch immer jünger als „der Heinz“.