Kairo. Schwere Luftangriffe auf die syrischen Städte Idlib und Aleppo mit vielen zivilen Opfern. Ab heute soll die Waffenruhe gelten

An diesem Montagabend sollen in Syrien die Waffen schweigen. Doch unmittelbar vor Inkrafttreten der Feuerpause sind die Kämpfe in dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land neu aufgeflammt. Allein bei einem Luftangriff auf den Marktplatz von Idlib wurden am Wochenende mindestens 58 Menschen getötet, darunter viele Frauen und Kinder. In Aleppo starben mindestens 30 Menschen durch Fassbomben der syrischen Armee.

Am Sonnabend hatten US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow in Genf die neue Feuerpause verkündet. Sie soll den gescheiterten Anlauf zu einer Waffenruhe vom Februar ersetzen. Im Zentrum des 13-stündigen diplomatischen Gesprächsmarathons stand vor allem die Lage in Aleppo und den anderen 15 Hungerenklaven. Darüber hinaus ging es um den künftigen gemeinsamen Kampf gegen die Terrorbrigaden „Islamischer Staat“ (IS) und Al-Nusra-Front, den syrischen Ableger von Al-Qaida.

Die syrische Opposition signalisierte verhaltene Zustimmung zu der Übereinkunft von Kerry und Lawrow. Auch der Iran und die Türkei gaben sich gedämpft optimistisch. Doch weder die Zukunft von Syriens Machthaber Baschar al-Assad noch eine Amnestie für Zehntausende politische Gefangene des Regimes spielten bei dem Genfer Treffen eine Rolle. Um die Feuerpause durchzusetzen, muss Moskau die syrische Regierung zwingen, die Versorgungswege um das eingekesselte Aleppo freizugeben. Auch Syriens Verbündete, die Hisbollah und die irakisch-iranischen Milizen, müssen auf Linie gebracht werden.

Im Norden der Stadt soll der Castello–Korridor zur entmilitarisierten Zone werden. Im Südwesten müssen die Regimetruppen das kürzlich zurückeroberte Ramouseh-Viertel räumen, sodass dort eine gemeinsame Versorgungstrasse für den Rebellen-Osten und den Regime-Westen etabliert werden kann. Die syrische Luftwaffe soll weitgehend am Boden bleiben. Umgekehrt verpflichten sich die USA, die moderaten Aufständischen von den Dschihadisten der Al-Nusra-Front zu entflechten. Sollte die zunächst angepeilte Sieben-Tage-Feuerpause halten, wollen die beiden Genfer Partner eine gemeinsame Gefechtszentrale für Luftangriffe gegen den IS und al-Nusra aufbauen.

In einer ersten Erklärung gab sich der russische Außenminister Lawrow zuversichtlich. Die syrische Regierung sei bereit, die Auflagen zu erfüllen. Trotzdem könne er nicht hundertprozentig garantieren, dass sich alle Seiten an die Feuerpause halten werden. Die Russen wissen, dass die meisten Bodentruppen rund um Aleppo unter der Regie des Iran sind. Das Mullah-Regime lässt sich aber nicht wirklich einbinden.

Die USA stehen vor einem anderen Dilemma. Die mit ihnen verbündeten gemäßigteren Rebellen haben praktisch an allen Kampflinien Bündnisse mit der Al-Nusra-Front, die sich kürzlich in Dschabhat Fateh al-Scham umbenannt hat. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass genügend bewaffnete Aufständische bereit sind, sich von den Fronten zurückzuziehen, an denen al-Nusra beteiligt ist“, erklärte Charles Lister, Extremismusexperte am Middle East Institute in Washington. Eine solche Entkoppelung käme aus Sicht der Rebellen einer kampflosen Preisgabe von Gebieten an das Regime gleich.