Berlin.

Sie war nicht da, sondern weit weg, beim G20-Gipfel in China. Auch in der Ferne wird das Ergebnis der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern Angela Merkel (CDU) nahegehen: Die Alternative für Deutschland (AfD) hat am Sonntag Merkels Partei überflügelt. Das Kopf-an-Kopf-Rennen endete mit dem schlechtesten CDU-Ergebnis im Nordosten, mit dem drittschlechtesten für die CDU in einem Flächenland in der Geschichte der Bundesrepublik – just in Merkels Heimatverband und am 4. September, seit 2015 das Signaldatum für die Politik der offenen Grenzen. Ist der AfD-Coup ein Omen?

Verluste erlitten viele Parteien, SPD, CDU, Linke. Die Grünen zitterten um den Einzug in den Landtag. Zweifelsfrei steht der Erfolg der AfD fest, nun in neun Landtagen vertreten, in Schwerin aus dem Stand zweitstärkste Kraft.

Im Konrad-Adenauer-Haus ließ sich am Sonntag kaum Parteiprominenz blicken. Der Erfolg kennt viele Gaffer, Misserfolg macht einsam. „Es ist bitter“, sagt CDU-Generalsekretär Peter Tauber.

Es ist wie im Sport. Mal gewinnt, mal verliert man. Im Umgang mit Niederlagen hat die CDU Übung; die letzte Auffrischung brachten drei Wahlen im Frühjahr. In Baden-Württemberg wurde man damals von den Grünen abgehängt. Jetzt ist es die AfD, die ihr den Rang abläuft. Es war eine Protestwahl. Es zeigte sich, dass die Regierungsarbeit der großen Koalition sich für beide Partner nicht ausgezahlt hat, weder im Bund noch in Schwerin. Rein rechnerisch hat die SPD am meisten verloren. Sie kann sich indes damit trösten, dass sie mit Erwin Sellering den Ministerpräsidenten stellt und sich den Koalitionspartner aussuchen darf. In Berlin ließ es sich SPD-Chef Sigmar Gabriel denn auch nicht nehmen, den Triumph selbst zu verkünden. Gabriel ließ sich feiern. Warum auch nicht? Er will Kanzlerkandidat werden, braucht jeden Erfolg. War es nicht Gabriel, der sich zuletzt in die Reihe der Kritiker der Flüchtlingspolitik eingereiht hatte?

Die CDU hofft, dass Sellering sich für sie und gegen ein linkes Bündnis entscheiden wird, sodass sich machtpolitisch wenig ändern würde, weder in Schwerin noch im Bundesrat. Das Ergebnis bei der Wahl für den Berliner Senat in zwei Wochen könnte noch bitterer werden: Die SPD strebt einen Partnerwechsel an, Linke und Grüne sind hier stärker als im Nordosten.

Zwar sind rechtspopulistische Parteien in vielen EU-Staaten im Aufwind, aber in Deutschland war die AfD gespalten und geschwächt. Es war die Flüchtlingskrise, die ihr Auftrieb gegeben hat; genau so, wie es die CSU immer befürchtet hatte, die „Schwester“ der CDU. Lange Zeit hat die CDU gehofft, die AfD würde sich selbst zerlegen. Die AfD wurde mal ignoriert und mal ausgegrenzt.

Nach den AfD-Erfolgen im Frühjahr in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt erkannte die Union dann (Merkel sprach es intern offen an), dass sie abgewanderten Wählern Brücken bauen müsse. So verhielt sich Merkel im Wahlkampf im Mecklenburg-Vorpommern. Sie sagte, „wir müssen die Wählerinnen und Wähler der AfD, von denen es im Augenblick doch recht viele gibt, immer wieder ansprechen“ – ohne aber Kernaussagen aufzugeben. Dazu zählte sie die soziale Marktwirtschaft, die Mitgliedschaft in Nato und EU, die Absage an Fremdenhass. „Da können wir auch keine Kompromisse machen.“

Einen Rechtsruck lehnt Merkel ab. Bis wann? Bis zur Wahl in Berlin? Bis zu den Urnengängen am 6. März im Saarland, am 7. Mai in Schleswig-Holstein und am 14. Mai in NRW? Tauber machte ganz im Sinne seiner Chefin nicht den Eindruck, als wollte Merkels Regierung ihre Politik ändern oder als stünde in der CDU ein Rechtsruck an. Er machte auch klar, dass Merkel in der Kanzlerkandidaturfrage nichts überstürzen wird.

Ändern wird sich der Umgang mit der AfD. Bisher wurde sie zumeist bloß ausgegrenzt. Jetzt will man sich besser von ihr abgrenzen. Tauber fing gestern damit an: „Sie spielt mit den Ängsten der Menschen“, sie schüre Protest. Jetzt ist die CDU-Abteilung Attacke gefragt.