Berlin. Gutachten: Geheimdienst erhob personengebundene Daten „ohne Rechtsgrundlage“

Rund drei Jahre nach dem Höhepunkt der NSA-Spähaffäre sieht sich der deutsche Auslandsgeheimdienst BND erneut scharfer Kritik ausgesetzt. Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Andrea Voßhoff, wirft dem Bundesnachrichtendienst (BND) einem Medienbericht zufolge systematische Gesetzesverstöße vor. In einem 60-seitigen Gutachten Voßhoffs vom März 2016, das NDR und WDR einsehen konnten, heißt es, der BND habe „ohne Rechtsgrundlage personenbezogene Daten erhoben und systematisch weiterverwendet“. Das berichtete die ARD am Donnerstagabend. Grüne und Linke werten den kritischen Bericht zur BND-Abhörpraxis als Bestätigung eigener Bedenken.

So sagte der Grünen-Obmann im Untersuchungsausschuss zur Affäre um den US-Geheimdienst NSA, Konstantin von Notz, am Freitag im Deutschlandfunk, der BND habe in eklatanter Weise gegen das Grundgesetz verstoßen. Der deutsche Auslandsgeheimdienst müsse sich von der Massenüberwachung verabschieden und auf den Kreis der Verdächtigen konzentrieren. Auch die Linke-Geheimdienstexpertin Martina Renner sprach von „erschreckenden Befunden“.

„Der BND hat meine Kontrolle rechtswidrig mehrfach massiv beschränkt. Eine umfassende, effiziente Kontrolle war mir daher nicht möglich“, schreibt die CDU-Politikerin Voßhoff. Insbesondere bei der Prüfung der umstrittenen Selektorenlisten habe der BND die Arbeit der Datenschutzbeauftragten blockiert. Selektoren sind beispielsweise Telefonnummern oder Mail-Adressen, nach denen in Datenbanken gezielt gesucht wird.

In mehrfacher Hinsicht erhebe der BND mithilfe einer Software des US-Geheimdienstes NSA personenbezogene Daten, die für seine Aufgabenerfüllung nicht erforderlich seien, zitieren NDR und WDR aus dem Voßhoff-Bericht. In zwei Datenbanken verarbeite der BND Selektorenanfragen der NSA, die nutzlos für die Arbeit des deutschen Nachrichtendienstes seien – und die der Dienst offenbar auch nicht weiter überprüfe, was ein Verstoß gegen das BND-Gesetz sei. In der Summe hält Voßhoff die Gesetzesverstöße dem Medienbericht zufolge für so schwerwiegend, dass der BND wohl weite Teile seiner Überwachung in Bad Aibling einstellen müsste. Als Reaktion auf die NSA/BND-Spähaffäre soll die Rechtsgrundlage geändert werden. Von Notz sagte, weniger als zehn Prozent der bisher durchgeführten BND-Überwachung hätten mit Terrorismus zu tun. Der Grünen-Experte warf der schwarz-roten Bundesregierung vor, mit der Geheimhaltung des Gutachtens die Gesetzesbrüche des BND unter den Teppich zu kehren.