Berlin.

Grünen-Chef Cem Özdemir findet es weniger spannend, was Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf ihrer Sommerpressekonferenz gesagt hat, „sondern was sie nicht gesagt hat“. Hunderttausende Menschen seien in der syrischen Stadt Aleppo eingeschlossen. „Ein unvorstellbares Elend, ohne dass die Welt groß Notiz davon nimmt“, sagte Özdemir dieser Zeitung. „Diese und andere humanitäre Katastrophen hat Angela Merkel heute vollkommen ignoriert.“ Kluge Flüchtlingspolitik heiße in seinen Augen auch, dass Menschen erst gar nicht gezwungen seien, zu fliehen. „,Fluchtursachen bekämpfen‘ verkommt derzeit aber zur hohlen Phrase“, sagte der Grünen-Chef. „Ich schäme mich für das Versagen der Weltgemeinschaft, von Europa und vor allem auch von Deutschland.“

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt findet Merkels Politik ideenlos. „Merkel verteidigt sich, geht aber nicht in die Offensive“, sagte Göring-Eckardt dieser Zeitung. „Sie hat keine neuen Ideen für Flüchtlingskontingente, keine neuen Ideen für Europa“, sagte die Grünen-Politikerin. Auch in Richtung Erdogan habe die Kanzlerin deutlicher werden müssen, sagte Göring-Eckardt. „Sie steht weiter zu problematischen Pfeilern ihrer Kanzlerschaft – vom Türkei-Deal bis TTIP.“

Kritik kommt auch von der Linken. Parteichefin Katja Kipping wirft der Kanzlerin eine Verharmlosung der rechten Gewalt von München vor. „Wer über die Gewalttaten der vergangenen Wochen spricht, muss die menschenverachtenden Ideologien Rassismus und islamistischen Fundamentalismus gleichermaßen benennen“, sagte Kipping. „Zu den rassistischen Hintergründen der Bluttat in München hat die Kanzlerin kein Wort gesagt.“

Die FDP beklagt die späte Reaktion der Kanzlerin

Die Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, sagte: „Es ist bedauerlich, dass Deutschland in der aktuellen schwierigen Situation von einer Kanzlerin regiert wird, die die Tragweite der Probleme offenbar bis heute nicht erfasst hat oder nicht sehen will“. Merkels Sicherheitsplan klammere die wichtigsten Fragen aus.

Auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki kritisiert Merkel: „Bundeskanzlerin Merkel kommt mit ihrer Pressekonferenz zu spät. Sie hätte den Bürgern unmittelbar nach den Anschlägen Mut machen und die Wehrhaftigkeit des Rechtsstaates dokumentieren müssen.“ Stattdessen präsentiere Merkel weder neue noch überzeugende neun Punkte zur inneren Sicherheit. Zudem kritisierte Kubicki das „mantraartige ,Wir schaffen das‘“ der Kanzlerin. „Sie bleibt vor allem die Antwort auf die Frage schuldig, wie wir der mehreren Hunderttausend Menschen habhaft werden, die unregistriert die Grenze passiert haben und bis heute amtlich verschwunden sind.“