St. Petersburg. Bürgermeister fordert inSt. Petersburg für Ostukraine „unumkehrbare Fortschritte“

Ob deutsche Politiker angesichts der aktuellen Spannungen mit Russland jetzt überhaupt an offiziellen Gesprächsforen beim östlichen Nachbarn teilnehmen sollen, ist durchaus umstritten. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat es getan und seinen Auftritt beim 15. Petersburger Dialog in der russischen Metropole am gestrigen Donnerstagabend zu deutlichen Worten an die Adresse der Gastgeber genutzt.

Scholz erinnerte in seiner Rede an die Entwicklung der europäischen Sicherheitsarchitektur im Zuge der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) Mitte der 70er-Jahre in Helsinki. „Russland hat mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der Destabilisierung der Ukraine gegen das Grundprinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen verstoßen“, sagte der SPD-Politiker. Niemals zuvor seit Unterzeichnung der Helsinki-Schlussakte 1975 sei so etwas geschehen.

Staaten der EU sind offene Gesellschaften

Zwar seien die Vereinbarungen von Minsk zwischen der Europäischen Union und Russland grundsätzlich ein „Lichtblick“, aber die „Sicherheitslage in der Ostukraine ist nach wie vor absolut unbefriedigend“. Keiner der vereinbarten Schritte sei zufriedenstellend umgesetzt worden. „Wir reden dabei über unumkehrbare Fortschritte: Lokale Wahlen müssen stattfinden, die Konfliktparteien müssen hinter die vereinbarten Linien zurück, ... und die Ukraine muss wieder die volle Kontrolle über ihre Landesgrenzen erhalten“, forderte Scholz. „Die Lösung des Ukraine-Konflikts ist für die Sicherheitsarchitektur in Europa ein zentraler Punkt.“

Die Staaten der EU seien offene Gesellschaften, die Rechtsstaat und Demokratie verpflichtet seien. „Sichtbar spielen staatliche Autorität, Religion und Weltgeltung eine größere Rolle für das russische Selbstverständnis“, sagte Scholz. „Die offene Gesellschaft ist keine ansteckende Krankheit, vor der man sich schützen muss. Manche russische Debatte, die von westlicher Dekadenz und Werte- und Sittenverfall spricht, wirkt auf mich so“, sagte der Bürgermeister. „Da wünscht man sich doch etwas mehr – darf ich sagen, männliche – Gelassenheit.“ Gelassenheit wäre auch angebracht „im Umgang mit der homosexuellen Minderheit im eigenen Land“.

Scholz ließ aber auch keinen Zweifel daran, wie wichtig das Gespräch zwischen der EU, der Nato und Russland ist. „Wir dürfen niemals aufhören, unsere politische Kraft für ein friedliches Miteinander der Völker des europäischen Kontinents einzusetzen. Einen neuen Kalten Krieg kann sich niemand leisten, nicht die EU, nicht Russland, nicht die USA“, so Scholz, der auch daran erinnert hatte, dass Hamburg und das damalige Leningrad 1957 – mitten im Kalten Krieg – die erste deutsch-russische Städtepartnerschaft geschlossen hatten.