Berlin.

Trotz rückläufiger Flüchtlingszahlen will Innenminister Thomas de Maizière (CDU) keine Entwarnung geben. Das EU-Türkei-Abkommen funktioniere zwar, doch würde er „nicht die Hand dafür ins Feuer legen“, dass es in den nächsten Monaten so bleibe, erklärte de Maizière am Freitag in Berlin.

Auch die Entwicklung auf der Balkanroute könne sich verschlechtern. „Wir erleben jetzt, dass Schleuser kleine Gruppen durch die grüne Grenzen bringen.“ Es gebe eine „steigende Bewegung“ über die Schweiz. Aus Russland kämen ebenfalls mehr Asylbewerber, zumeist Tschetschenen. Allein 70.000 Menschen reisten im ersten Halbjahr über die sogenannte Mittelmeerroute nach Italien, so viele wie im Vorjahr. Italien verhalte sich korrekt, es nehme die Menschen auf und lasse sie nicht (wie oft in der Vergangenheit) ziehen. Die Gesamtlage bleibe jedoch „labil“. Für das laufende Jahr wolle er keine Prognose abgeben.

Zuvor hatte der Bundesrat eine Entscheidung über die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten auf den Herbst verschoben. „Scheitert dieses Gesetz, fürchte ich, gibt es wieder steigende Zahlen“, warnte de Maizière. Hinzu kommt, dass alle EU-Staaten das sogenannte Dublin-Verfahren noch einmal bis Jahresende aussetzen werden. Das bedeutet: Sie behalten Flüchtlinge, die über Griechenland eingereist sind und nach EU-Recht eigentlich in das Erstaufnahmeland zurückgeschickt werden sollten. De Maizière machte nach eigenen Worten der Regierung in Athen klar, „dass es nicht ewig so weitergehen kann“. Im Klartext: Deutschland drängt darauf, zur regulären Praxis zurückzukehren.

Dabei hat sich die Lage in Wahrheit entspannt. Der Zustrom nach Deutschland ging zurück. Wurden im Januar noch mehr als 91.000 Neuankömmlinge erfasst, waren es im Juni 16.000. Von Anfang Januar bis Ende Juni wurden 222.264 Neuankömmlinge registriert – fast so viele wie auf dem Höhepunkt der Krise in nur einem Monat – und 396.947 Asylanträge gestellt. Die Differenz ergibt sich daraus, dass viele Menschen bereits im vergangenen Jahr eingereist sind, aber erst 2016 beantragt haben.