Berlin.

Unterbringung, Gesundheitsversorgung, Sprachunterricht – wer nach Deutschland geflohen ist, hat einen gesetzlichen Anspruch auf Leistungen. Dabei geht es um Milliarden. Deshalb wird heftig gestritten. Die Länder gehen von Kosten in der Fluchtkrise von 20 Milliarden Euro pro Jahr aus – der Bund soll die Hälfte zahlen. 2016 überweist der Bund den Ländern 2,6 Milliarden Euro – allein für die Integration in Schule und Kita. Sieben Milliarden sagte die Regierung nun für die kommenden drei Jahre zusätzlich zu. Damit wären die Forderungen der Länder fast erfüllt. Nur ist das berechtigt? Wie viel kostet ein Flüchtling pro Tag?

Eine Frage, die leicht zu stellen ist – aber schwer zu beantworten. Eine zentrale Aufschlüsselung in Bund und Ländern gibt es nicht – selbst Monate nach Beginn der Debatte. Oftmals sind die Kosten sogar von Kommune zu Kommune verschieden – je nachdem, welche Verträge die Behörden vor Ort mit den Firmen für Containerbau oder mit den Sicherheitsdiensten abgeschlossen haben. Schätzungen sind nur grob. Die Länder rechneten circa mit 1000 Euro pro Flüchtling und Monat, 12.000 im Jahr, Städte wie Hagen und Braunschweig sogar mit 15.000 Euro.

Bisher übernimmt der Bund 670 Euro pro Geflüchteten – allerdings nur, wenn sie schon einen Asylantrag gestellt haben. 1000 Euro pro Flüchtling und Monat: Auf diese Rechnung beziehe sich auch der Städte- und Gemeindebund, so deren Sprecherin Ursula Krickl. Doch sie sagt auch: „Wir sind nicht in der Lage, das genau zu ermitteln.“

Unterkunft und Verpflegung

Für die Unterbringung in einer Erstaufnahme-Einrichtung zahlt Hamburg beispielsweise 1951,11 Euro pro Flüchtling und Monat. 856 Euro davon sind Miete und Personalkosten, 434 Euro für Essen und Trinken – 1100 Euro für Kinderbetreuung, Fahrkosten oder Hygieneartikel. Die Stadt Hagen in Nordrhein-Westfalen rechnet mit 1250 Euro pro Asylbewerber und Monat. Darin enthalten sind jedoch auch schon Kosten für Integrationskurse. Vom Land erhält Hagen eine Pauschale: 10.000 Euro pro Flüchtling und Jahr. „Den Rest müssen wir selber aufbringen“, sagt der Sprecher der Stadt.

Die Stadt Emmerich an der Grenze zu Holland gab nach eigenen Angaben im ersten Quartal 2016 insgesamt 927.000 Euro für 475 Asylbewerber aus. Pro Flüchtling und Monat eine Summe von insgesamt rund 651 Euro. Nur halb so viel wie in Hagen. Das zeigt das Dilemma Deutschlands bei den Flüchtlingskosten: Wer mit den Versorgungsfirmen und Containerherstellern gute Verträge abgeschlossen hatte, spart Geld. Wo der Druck der Kommune für Unterkünfte groß war, ließ man sich auf teure Verträge ein. Zudem: Ein großes Unternehmen wie European Homecare (EHC), das deutschlandweit Einrichtungen betreut, nimmt ganz unterschiedliche Preise: je nach Standort.

In einer Großstadt wie Berlin kostet die Unterbringung zwischen 210 und 1080 Euro im Monat – je nachdem, ob es eine riesige Turnhalle ist oder eine kleine Containereinrichtung. Als es auf dem Höhepunkt der Fluchtkrise schwer war, überhaupt Räume zu finden, mietete der Senat Zimmer in Hotels für maximal 1500 Euro pro Monat. Inzwischen liegt diese Grenze bei 900 Euro. Der Wildwuchs an Kosten ist groß, wie auch das spendenfinanzierte Recherchezentrum Correctiv.org herausfand. Die Journalisten fragten bei fast 300 Landkreisen nach: Während man in Saarlouis im Schnitt 288 Euro pro Monat und Flüchtling zahlt, gibt die Stadt Leipzig 388 Euro aus, Bochum 1250 Euro, der Landkreis Lörrach am Bodensee zahlt 1212 Euro und der Kreis Waldshut – direkt daneben – nur 1037 Euro.

Klar ist auch: Städte und Kommunen müssen zusätzlich Wohnungen bauen – denn nach der Erstunterbringung können sich anerkannte Asylbewerber Wohnungen auf dem freien Markt suchen. Auch beim Wohnungsbau fordern Länder daher mehr Hilfe vom Bund.

Integration

Wer in Deutschland als Flüchtling anerkannt ist, soll laut Integrationsgesetz einen Kurs besuchen. Pro Unterrichtseinheit im Kurs rechnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit 3,10 Euro pro Teilnehmer. Der Geflüchtete oder dessen Jobcenter sowie das BAMF zahlen je die Hälfte. Lehrer in diesen Kursen verdienen bislang mindestens 23 Euro die Stunde, die Träger erhöhen das Honorar oft auf eigene Kosten, um gutes Personal zu bekommen. Im Bund gibt es Überlegungen, den Stundenlohn auf 35 Euro anzuheben. Berlin zahlte 2015 fast sieben Millionen Euro für diese Kurse.

Bei der Integration ist vor allem das Bildungssystem herausgefordert: In den nächsten Jahren brauche man 50.000 bis 60.000 neue Kitaplätze und 300.000 Plätze in Schulen allein für Flüchtlingskinder, sagt der Städte- und Gemeindebund. Beides zusammen koste sechs Milliarden Euro. Neue Kitaplätze für einheimische Kinder seien darin noch nicht eingerechnet.

Gesundheit und Soziales

Im Durchschnitt zahlten die Kommunen für die medizinische Versorgung 2015 rund 660 Euro pro Geflüchteten. Das ergab eine WDR-Umfrage bei 203 Städten und Gemeinden. Zum Vergleich: 2014 lag der Betrag pro Krankenversicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung bei 2755 Euro. Flüchtlinge bekommen allerdings auch weniger Leistungen. In Berlin lag der Betrag beispielsweise bei 615 Euro und insgesamt 33,8 Millionen Euro. Doch auch hier ist die Spannbreite der Kosten hoch: Während die kleine Stadt Brilon im Sauerland pro Asylbewerber knapp 200 Euro zahlt, waren es in Wesel am Niederrhein rund 2000 Euro.

Klar geregelt ist das Taschengeld, das ein Asylbewerber im Monat bekommt: Als Erwachsener, der noch in einer Aufnahmeeinrichtung wohnt, sind es 135 Euro. Lebt er in einer eigenen Wohnung, sind es 216 Euro. Die Sätze für Ehepartner sind jeweils etwas geringer, Kinder bekommen etwas mehr als die Hälfte des Satzes für Erwachsene. Flüchtlinge, deren Asylantrag anerkannt wurde, bekommen Sozialleistungen wie ein Hartz-IV-Empfänger: 404 Euro.