Madrid .

Mit diesem Erfolg hatte nicht einmal er selbst gerechnet. Man merkte es ihm an: Als der konservative Partei- und Regierungschef Mariano Rajoy nach Mitternacht auf den Balkon seiner Parteizentrale in Madrid tritt, stottert er zunächst. Dieser bemerkenswerte Wahlsieg seiner schon abgeschriebenen Volkspartei und die Schwächung der Opposition waren in seinem vorbereiteten Redemanuskript nicht vorgesehen.

Alle Umfragen vor der Parlamentsneuwahl hatten einen Linksruck vorausgesagt – und ein Erstarken der Protestbewegung Unidos Podemos. Doch drei Tage nach dem Brexit-Votum in Großbritannien wollten viele Wähler offenbar keine Experimente wagen.

Als der 61-jährige Rajoy vor den jubelnden Anhängern die Worte wiederfindet, verspricht er Kompromissbereitschaft, um Spanien aus dem politischen Stillstand herauszuführen: „Wir müssen mit allen sprechen.“ Und er lässt durchblicken, dass er eine Minderheitsregierung anstrebt, die von den Sozialisten toleriert werden soll.

Rajoy baute zwar seine parlamentarische Macht aus, verfehlte aber die absolute Mehrheit. Nach dem vorläufigen Endergebnis verbesserte sich seine konservative Volkspartei (PP) auf 33 Prozent (2015: 28,7 Prozent). Er holte 137 Parlamentsmandate, 14 mehr als im Dezember. Die absolute Mehrheit liegt bei 176 der 350 Parlamentssitze.

Die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) rettete sich auf 22,7 Prozent Stimmenanteil, verlor aber trotzdem fünf Parlamentssitze. Das neue Linksbündnis Unidos Podemos wurde mit 21,1 Prozent (2015: 20,7) drittstärkste Kraft. Die liberal-bürgerliche Partei Ciudadanos blieb bei 13,1 Prozent und verlor acht Mandate. Auch mehrere Regionalparteien aus dem Baskenland und Katalonien zogen ins Parlament ein.

Die Mehrheit der spanischen Medien geht davon aus, dass die Stärkung Rajoys in dieser Wahl doch eine neue Dynamik in das spanische Machtringen bringen könnte. Und Spaniens politische Blockade vielleicht so doch in den nächsten Wochen beendet werden kann. „El Pais“, die größte Zeitung des Landes, mahnte zur Vernunft: Es sei unverantwortlich, wenn die großen Parteien durch weiteres Mauern eine dritte Wahlrunde provozieren würden.

Aus der ersten Parlamentswahl im Dezember war keine mehrheitsfähige Regierung hervorgegangen. Weil niemand mit Rajoy, der wegen Korruptionsfällen am Pranger steht, eine Koalition bilden wollte. Und weil auch die zerstrittene Opposition sich nicht auf eine alternative Regierung einigen konnte. Seitdem ist Spanien politisch gelähmt. Ob nun tatsächlich Bewegung in die politische Hängepartie gekommen ist, ist ungewiss.