Berlin.

Rund drei Monate sind seit der Enthüllung der „Panama Papers“ vergangen, und die EU-Kommission will nun endlich Ernst machen mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung. „Auf diesem Gebiet können wir den Beweis antreten, dass ein gemeinsames Europa in der Lage ist, Dinge zu verbessern. Steueroasen und Steuervermeidung lassen sich nicht in nationalen Alleingängen bekämpfen. Dazu braucht es eine große, starke Einheit wie die Europäische Union“, sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici dieser Zeitung auch mit Blick auf das Ausscheren der Briten aus der EU.

Transparenz-Kodex soll entwickelt werden

Und er kann erste Erfolge vorweisen: In der vergangenen Woche stimmten nach zähen Verhandlungen alle EU-Staaten einer Richtlinie zu, die international tätigen Konzernen die Verschiebung von Gewinnen zur Steuervermeidung erschwert. Bislang verteilen internationale Unternehmen wie etwa Facebook, Amazon oder Google ihre Gewinne so auf mehrere Länder, dass sie am Ende nur minimale Steuern zahlen müssen. Laut EU-Kommission tragen kleinere Unternehmen, die nicht in mehreren Ländern tätig sind, im Schnitt eine um 30 Prozent höhere Steuerlast als multinationale Konzerne. Und den Mitgliedstaaten entgehen durch diese aktive Steuervermeidungspolitik der Firmen jährlich Steuereinnahmen in Höhe von etwa 50 bis 70 Milliarden Euro.

26 der 28 EU-Finanzminister hatten den jüngsten Plänen bereits bei einem Treffen in Luxemburg zugestimmt. Belgien und Tschechien aber mussten Rücksprache mit ihren Hauptstädten halten. Belgien bietet europäischen Filialen global agierender Unternehmen günstige Steuerbedingungen. Die belgische Regierung hatte insbesondere Vorbehalte bei der Begrenzung der Steuerbegünstigung für Zinsen für innerhalb von Konzernen vergebene Kredite. Das Land bekam in den Verhandlungen dann fünf Jahre mehr Zeit, um die neuen europäischen Regeln einzuhalten.

Die geplanten Bestimmungen beruhen in weiten Teilen auf Empfehlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) – etwa eine „Zinsschranke“, die Einnahmen aus Zinsen begrenzt, die ein Unternehmen steuerbegünstigt veranschlagen kann. Gleichzeitig wird die Verlagerung von Gewinnen auf Filialen in Niedrigsteuerländern beschränkt. Sie können künftig im Staat des Firmensitzes besteuert werden.

Moscovici versichert, dass die EU es dabei nicht belassen wird. „Wir sind gerade dabei, einen Transparenzkodex zu entwickeln. Bis 2017 werden wir eine einheitliche schwarze Liste der Steueroasen zusammenstellen“, betonte der Franzose. Einwände, dass auch die G20-Staaten bereits bei ihrem Treffen in Washington vor sechs Jahren den Steueroasen den Kampf angesagt hatten und ein durchschlagender Erfolg bislang ausblieb, will der Kommissar nicht gelten lassen.

„Wir schauen schon sehr viel genauer auf die juristischen Strukturen der multinationalen Konzerne, tauschen uns über ihre Aktivitäten in den Mitgliedsländern aus.“ Der EU-Kommissar forderte auch die Unternehmen auf, ihre Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern und deutlich zu machen, in welchem Land sie wie viel Steuern zahlen. „Damit die Medien, die Zivilgesellschaft genau sehen, was ihre multinationalen Konzerne machen.“ Die Grünen im Europaparlament und Nichtregierungsorganisationen übten Kritik an den Beschlüssen: Sie reichen ihnen nicht weit genug. Die Regierungen der EU-Staaten seien nicht bereit, groß angelegte Steuervermeidung von multinationalen Unternehmen in Angriff zu nehmen, kritisierte Oxfam. Da müsse mehr geschehen.

Die EU sucht schon seit der „LuxLeaks“-Affäre von Ende 2014 nach besseren Strategien gegen unfairen Steuerwettbewerb. Damals hatte ein internationales Recherchenetzwerk über Hunderte Fälle berichtet, in denen multinationale Konzerne in Luxemburg auf Kosten anderer EU-Länder Steuerzahlungen vermieden. Sie nutzten dazu Tochterfirmen, die im Prinzip selbst keinen Umsatz machten, und verlagerten ihre Gewinne aus anderen EU-Staaten auf sie. Weiteren Druck erzeugten die Enthüllungen um die Panama Papers Anfang des Jahres. Dabei geht es um Briefkastenfirmen, die über eine Kanzlei in Panama eingerichtet wurden und die möglicherweise zur Steuerhinterziehung genutzt werden. Die Affäre rief weltweit Steuerfahnder auf den Plan.

Moscovici will angesichts der Skandale weiter Druck aufbauen: „Ich kann mit Stolz sagen, dass die EU als Institution auf diesem Gebiet vorangeht. Der Druck auf Konzerne und Steueroasen wird deutlich stärker.“