Berlin. Auf ihrer Klausurtagung wollen die Unionsspitzen strittige Themen vermeiden

CSU-Chef Horst Seehofer hat rhetorisch schon mal abgerüstet: Einen neuen Krach zwischen ihm und Kanzlerin Angela Merkel werde es beim Unionsgipfel am Wochenende „auf keinen Fall“ geben, verspricht Seehofer. Er wolle keine „Vergangenheitsbewältigung“. Auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber verbreitet Friedenssignale: Mit „preußischer Disziplin und bayerischer Geradlinigkeit“ wollten die Spitzen der Union über die „großen Zukunftsthemen reden“.

So freundliche Töne gab es zwischen den zerstrittenen Schwesterparteien schon lange nicht. Bei einem Gipfeltreffen ab Freitagmittag auf der Potsdamer Halbinsel Hermannswerder wollen die Führungsgremien von CDU und CSU versuchen, das in der Flüchtlingskrise entstandene Zerwürfnis zu kitten. Es geht um eine Annäherung, bei der niemand sein Gesicht verlieren soll.

Die Flüchtlingspolitik wird deshalb ausgeklammert, Grundsatzfragen zur Ausrichtung der Union auch. Seit Wochen tüfteln Fachleute beider Parteien stattdessen daran, bei einzelnen Sachfragen wieder Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Die Idee: Über Zukunftsthemen sollen CDU und CSU zurück ins Zusammenspiel finden. Die Digitalisierung ist so ein Thema, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheitspolitik, Entwicklungspolitik, Terrorbekämpfung und natürlich auch die künftige Europapolitik nach der Brexit-Abstimmung. „Ich wünsche mir, dass wir in wichtigen globalen und europäischen Fragen eine gemeinsame Klammer finden“, sagt Seehofer. Und wenn es gut läuft, werden CDU und CSU verabreden, nun doch ein gemeinsames Rentenkonzept zu erarbeiten – nachdem die Christsozialen eigentlich einen eigenen Reformplan vorlegen wollten.

Von einer „Beratungssitzung“ spricht Merkel vorsichtig, „es geht nicht um Ergebnisse“. CDU-Vize Armin Laschet sagte dieser Redaktion: „Es ist gut, dass die Führungsgremien von CDU und CSU einmal intensiv über die großen Themen in dieser Zeit sprechen.“ Er sei sicher, „dass wir feststellen, dass die Union in den Kernfragen sehr viele Gemeinsamkeiten hat“.

Dennoch sind die Erwartungen in der Union eher gedämpft. Es gebe keinen Fahrplan und noch keine vorbereiteten Papiere, heißt es. Auch Spitzenleute erinnern sich mit Schaudern an den bizarren Streit um den Ort dieser Friedensverhandlungen: Über Wochen rangelten die Parteispitzen miteinander, ob sie sich auf halber Strecke zwischen München und Berlin treffen – wie es die CSU verlangte – oder doch lieber in Berlin, wie die CDU es wollte.

Jetzt tagen sie in Potsdam: CDU-Chefin Merkel konnte die Nachbarschaft zur Hauptstadt durchsetzen, weil sie wegen der Brexit-Aufregung in der Nähe des Kanzleramtes bleiben wollte. Das klingt pragmatisch, ist aber auch ein Stück Machtdemonstration. Seehofer hat ja kein Druckmittel, um die große Schwester auf seinen Kurs zu zwingen, er kann nur Sand ins Getriebe streuen. Das wird wohl nicht aufhören. Man werde sehen, wie der „Austausch“ beim Gipfel verlaufe, heißt es ziemlich verhalten in der CSU. Das Verhältnis von Merkel und Seehofer gilt ohnehin als hoffnungslos zerrüttet. Er hegt tiefes Misstrauen gegen ihren Kurs, sie hat seine Drohung mit Verfassungsklage wegen der Flüchtlingspolitik oder den kaum verhüllten Vorwurf eines fortgesetzten Rechtsbruchs nicht vergessen.

Noch behält sich die CSU vor, einen Bundestagswahlkampf getrennt von der CDU zu führen. Zwar hat CDU-Generalsekretär Tauber bereits versichert, „dass die beiden Unionsparteien gemeinsam in den Wahlkampf ziehen“, doch in München wird das nicht bestätigt. Zu groß ist die Furcht, Merkel bereite heimlich eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene vor, die bei der CSU auf große Bedenken stieße.

Der CSU-Chef warnt auch seit Monaten, die Vorbehalte gegen Merkel seien in seiner Partei so groß, dass es schwer werde, genügend Helfer zu finden, die Wahlplakate mit der Kanzlerin klebten. Das wiederholt Seehofer vorerst nicht. Auch die bundesweite Ausdehnung der Christsozialen als angebliche Ultima Ratio ist kein Thema mehr.

Ein Vorbereitungstreffen mit Merkel in der Vorwoche hat dem CSU-Chef Hoffnung gemacht, schon wünscht er sich wieder „einen gemeinsamen Geist“ der Union. Nichts klingt mehr nach einem finalen Bruch. Doch verheilt sind die Wunden noch lange nicht. Seehofer sagt: „Bis zur totalen Normalisierung ist es ein Prozess, der nicht am Wochenende abgeschlossen ist.“