Hermannstadt .

Der Bundespräsident ist in seinem Element. Draußen auf dem Marktplatz von Hermannstadt im rumänischen Siebenbürgen haben die Bürger Joachim Gauck mit Beifall begrüßt, lachend hat er zurückgewinkt. Jetzt, im Festsaal des deutschsprachigen Gymnasiums, ist der Präsident ganz der Herzensöffner: Scherzt mit den Schülern, die ihm etwas vorsingen sollen, lobt die Lehrer und würdigt die Schule als Beispiel für europäische Zusammenarbeit. Dann bittet er Peter Maffay zu sich, der auf dieser Reise Gast in Gaucks Delegation ist. Der Präsident legt seinen Arm um den Sänger mit den rumänischen Wurzeln und bittet alle Anwesenden zum gemeinsamen Foto.

Die Hitze liegt schwer über der Altstadt, Gauck ist dennoch in Hochform. Er wirkt jetzt wie erleichtert und befreit. Es ist sein erster Staatsbesuch, seit er vor gut einer Woche seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit angekündigt hat. Die Uhr läuft. In neun Monaten ist Schluss mit dem höchsten Staatsamt. Wehmut? Gauck winkt ab. Ein enger Begleiter sagt: „Er ist doch im Moment viel zu eingespannt, so viele Themen treiben ihn um. Aber Wehmut wird schon noch kommen, bei den letzten Festen, den letzten Reisen.“ Doch jetzt, da die Entscheidung verkündet sei, fühle sich Gauck offensichtlich besser.

Eigentlich hatte es der 76-Jährige mit Blick auf sein Alter von Anfang an bei einer Amtszeit belassen wollen. Die Unruhe nach der Flüchtlingskrise und der Aufstieg der Rechtspopulisten hatten ihn aber im vergangenen Winter noch einmal wanken lassen. Die Frage, ob er nicht doch weitermachen müsse, hat ihn über Monate belastet. Vorbei. Den Verdacht allerdings, er sei nun ein Präsident auf Abruf, zerstreut Gauck bei seinem Besuch in Rumänien schnell. Das Staatsoberhaupt hat noch viel zu sagen, auch Überraschendes: In der Nationalbibliothek in Bukarest hält er am Dienstagmorgen eine Europa-Rede, in der er nicht nur vor Nationalismus warnt. Der Präsident korrigiert sich indirekt auch selbst. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Gauck für weitere Inte­grationsschritte der EU geworben, wollte „mehr Europa wagen“. Jetzt plädiert er dafür, eine Pause bei der Integration einzulegen. Es gehe darum, die zögernden Bevölkerungen mitzunehmen: „Es kommt darauf an, das heute und morgen Machbare zu erkennen und es dann durchzusetzen“, mahnt Gauck und verteidigt damit ausdrücklich die Kanzlerin, der man vorhalte, nur auf Sicht zu fahren. Der Präsident fordert, die Vertrauenskrise Europas müsse mit leidenschaftlicher Vernunft gelöst werden – zu viele Fragen würden mit polarisierenden Emotionen ausgetragen. Kein Zweifel, in den letzten Amtsmonaten wird er Europa zu seinem Thema machen.

Er wird sich dennoch treu bleiben: Dass er sich nun mit Blick auf das Ende mehr Freiheiten herausnehmen werde, weist er entschieden zurück. „Ich habe schon nach einem halben Jahr die Form gefunden, in der ich meinte, mein Amt ausüben zu sollen“, sagt er. So wird der Präsident auch sein Herzensthema Freiheit und Verantwortung weiter ausfüllen. Bürger will er zum Engagement ermutigen. Und mit Jugendlichen will er über ihre Wünsche an ein Land diskutieren, das immer mehr eine „Rentnernation“ werde, wie Gauck sagt. Es ist wohl seine Art, sich auf das künftige Rentnerdasein vorzubereiten.