Berlin.

Damit sie nicht verhungerten, fingen sie Frösche im Wald und aßen sie. So schreibt es Petr Petrowitsch Fedorow in seinen Erinnerungen als sowjetischer Kriegsgefangener in einem Lager der Wehrmacht. Es war Sommer 1942. Seit gut einem Jahr führen die Deutschen einen Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion. Heute jährt sich der Überfall auf die Sowjetunion zum 75. Mal. Im Bundestag debattieren Politiker über den Umgang Deutschlands mit den Opfern des Nationalsozialismus – auch über Menschen wie Fedorow. Denn bisher sind sowjetische Kriegsgefangene nicht offiziell anerkannt als Opfergruppe des NS-Regimes. Die Grünen-Politiker Marieluise Beck und Volker Beck fordern in einem Brief an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), die gefangenen Rotarmisten als „Opfer der NS-Rassepolitik“ endlich anzuerkennen. „Die Zeit läuft ab, und es wäre beschämend und traurig, würde sich der Deutsche Bundestag weiter verweigern, das schwere Unrecht“ anzuerkennen, heißt es in dem Brief, der dieser Redaktion vorliegt. Und: „Dies wäre auch ein starkes Signal von Deutscher Seite in dieser angespannten Zeit mit Putins Russland.“

Bis 1945 starben in deutschem Gewahrsam von etwa fünf Millionen sowjetischen Soldaten etwa 60 Prozent. Ihr Schicksal ist bisher ein blinder Fleck in der Erinnerung. Das Gros der Historiker vergleichen die Gefangenensituation der sowjetischen Soldaten nicht mit der andere Kriegsgefangener aus Frankreich oder Großbritannien – sondern eher mit der Situation von KZ-Häftlingen.

Die Soldaten litten an Hunger, Seuchen breiteten sich in den Lagern aus. Sie wurden im Sinne der NS-Ideologie genauso als „slawische Untermenschen“ betrachtet. 2015 beschloss der Bundestag eine einmalige Hilfe für die wenigen noch lebenden Opfer von 2500 Euro. Eine Geste – und keine Entschädigung. Denn als NS-Opfer anerkannt sind die Soldaten bis heute nicht.